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Sklavensprache

■ Das Leben hat noch nie bestraft, ihr Dummköpfe

QUERSPALTE

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben - das Zitat von Herrn Gorbatschow. Aus dem Blätterwald grummelt es folosofisch. In der Zeile verbergen sich Zeit, Sein, Moral und Exekution. Das kommt an - er hat's gesprochen - the man of the last (oder vorher) year! Aber vielleicht hatte er bloß einen lyrisch ambitionierten Übersetzer. Die deutschen Hirnis ringen ja noch dem Rülps die Metapher ab. Womöglich warn dem Staatsmann die Hosen voll, er erhoffte ungeduldig das Ende irgend einer inneren Krise, hat dabei flüchtig auf seine Zwiebel geschaut und was mit wremnjia (deutsch: Zeit) gemuschelt - das ganze mit vollkommen entspanntem Gesichtsausdruck.

Und jetzt hängt die Metapher narkotisierend über uns und lehrt denken. Oh, vermeintliche Linke, oh, vertuschende Rechte: Nehmt es hin, ein guter Mensch hat es gesagt. Wär's bloß ein böser gewesen - ich müßt's nicht in jeder Zeitung lesen.

Wir leben in unmoralischen Zeiten - die Moral genießt höchste Priorität. Sie versklavt die Köpfe in ähnlicher Gedankenlosigkeit wie: Ein Telegramm ist Liebe (würde es so oft zitiert).

Jetzt geistert der Satz durch die Kommentare und verleiht ihnen den bedeutenden Hauch von Beliebigkeit.

Trotz Polemik: Ich muß es einmal loswerden: Das Leben hat noch nie bestraft, ihr Dummköpfe.

Aber all das würde ich nicht schreiben, hätte mich nicht letztens wieder ein Blitz jenes guten Menschen getroffen wie immer brachial - mindestens sieben Plakate - mindestens drei mal vier Meter. Sie sollten für was Großes, Gesundes werben: „Die Angst muß von der Erde verschwinden.“ Das hatte er gesagt. Nein, nein, nein - bevor ihr wieder zitiert - die Angst muß um Himmels Willen auf der Erde bleiben.

Ihr denkt doch nicht etwa, daß wir uns ohne Angst über Wasser halten würden.

Stephan Krawczyk

Der Autor ist Liedermacher und 1988 aus der DDR rausgeflogen.

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