Skirennläuferin Mikaela Shiffrin: Zurück ins Leben
Mikaela Shiffrin hat das erste Weltcup-Rennen der Saison gewonnen. Nach einem schwierigen Jahr will sie wieder um den Gesamtweltcupsieg fahren.
Die Zielraumkamera hatte sich schon mal postiert. Sie richtete sich aber nicht auf die Tribüne, die beim alpinen Weltcup-Auftakt in Sölden nach einem Jahr der Stille und Leere wieder voll war. Auch nicht auf die Trainer, Betreuer oder auf die im Moment Führende des Riesenslaloms – oder Eileen Shiffrin, die Mutter der jungen Dame, die nun gleich zum zweiten Mal die steile Piste auf dem Rettenbachgletscher hinunterfahren würde. Ein junger Mann in gelber Skijacke und grauer Jogginghose war das Objekt der Begierde. Kein Unbekannter in der Branche, aber immerhin ein ehemaliger Gesamtweltcupsieger.
Aber bis zu dieser Saison hätte wohl niemanden besonders interessiert, wenn Aleksander Aamodt Kilde bei einem Frauenrennen im Zielraum gestanden wäre. Nun ist er aber seit einigen Monaten der Freund von Mikaela Shiffrin. Die erfolgreichste aktive Skirennläuferin und der Norweger, der nach seinem Kreuzbandriss im vergangenen Winter wieder den Gesamtweltcup in Angriff nehmen will, sind nun so etwas wie das Glamour-Paar des Skisports.
Als Shiffrin mit Bestzeit im Ziel abschwang, reckte Kilde die zu Fäusten geballten Hände in die Höhe, kurz darauf kam Eileen Shiffrin und herzte den Herzensmann ihrer Tochter. Ein paar Minuten später stand fest, dass die Amerikanerin das erste Weltcup-Rennen der Saison gewonnen hatte, weil die Führende nach dem ersten Durchgang, Lara Gut-Behrami aus der Schweiz, in der Addition der beiden Läufe 14 Hundertstelsekunden langsamer war.
Es war aber nicht einfach nur der 70. Weltcupsieg der 26-Jährigen aus den USA, sondern vielmehr ein Signal. Für die Konkurrenz, aber auch für sie selbst die Bestätigung, bereit zu sein für die großen Ziele in diesem Winter. „Die große Frage“, sagte Shiffrin am Samstag, „war ja, ob ich auch wieder mit dem Feuer von früher fahren kann und wieder gewinnen kann.“
Neustart für Shiffrin
Diese Saison ist auch ein Neustart für Shiffrin. Vor dem Auftakt hatte sie erklärt, sie träume davon, bei den Olympischen Winterspielen in Peking in allen fünf Disziplinen an den Start zu gehen und wieder um den Gesamtweltcupsieg mitzufahren. „Das bedeutet aber natürlich, dass es eine größere Vorbereitung braucht, auch mental.“ Der vergangene Winter war nach dem tragischen Tod ihres Vaters im Februar 2020 wie eine Therapie. Nur ganz langsam fand sie zurück ins Leben, in ein neues Leben.
Allerdings sind auch die Resultate einer Shiffrin, die nicht mit voller Leidenschaft und Konzentration ihren Sport betreiben kann, noch sehr gut. Sie gewann drei Weltcup-Rennen und stand insgesamt zehn Mal auf dem Podest. Bei der WM in Cortina d’Ampezzo war dann schon wieder etwas zu sehen von der früheren Mikaela Shiffrin. Sie holte in jedem ihrer vier Rennen eine Medaille, einmal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze. Zu diesem Zeitpunkt, wie sie jetzt erst verriet, waren sie und Kilde sich bereits nähergekommen. Er hat ihr geholfen, wieder zu sich selbst zu finden. „He is a special one“, sagt Shiffrin, er ist besonders.
„Er ist auf der gleichen Wellenlänge“
Früher hätte sie sich nicht vorstellen können, dass einmal ihr Freund im Ziel stehe, weil sie das Gefühl gehabt hätte, sich ablenken zu lassen, gab sie zu. Ihr früherer Lebensgefährte, der Riesenslalom-Weltmeister Mathieu Faivre, war jedenfalls nie bei Rennen von Shiffrin aufgetaucht, selbst wenn es der Rennkalender zugelassen hätte. Aber bei Kilde scheint das anders zu sein. Seine Nähe, auch rund um den Wettkampf, hilft ihr. „Er ist auf der gleichen Wellenlänge, motiviert mich.“ Und er ist auch ein guter Berater bei allen Fragen rund ums Skifahren. „Wir sind ein starkes Team, stärker. als wir vorher ohne den anderen waren“, sagte Kilde zuletzt in der Schweizer NZZ.
Es scheint die beiden nicht, oder noch nicht, zu stören, dass jeder Jubel, jede Umarmung festgehalten, kommentiert wird. Aber sie hatten sich im Sommer auch bewusst entschieden, ihre Beziehung öffentlich zu machen. Zuletzt traten sie zusammen bei einem Medientermin ihrer Skifirma auf und ließen sich für eine Zeitung interviewen. In den nächsten Wochen müssen die beiden aber erst einmal wieder getrennte Wege gehen. Shiffrin bereitet sich auf die Rennen in Levi und Killington in Amerikas Osten vor, Kilde auf die Speedrennen in Kanada und Colorado.
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