Ski-Weltmeisterschaften: Selbstgemachte Medaille
Die stolze Skination Österreich steckt in einer Krise. Bei der Weltmeisterschaft in Frankreich blickt man auf das schlechteste Ergebnis seit 20 Jahren zurück.
VAL D'ISÈRE taz Es war alles vorbereitet für eine große Sause in Rot-Weiß-Rot. Der Tiroler Landeshauptmann wurde mit Marschmusik empfangen, später gab es ein feines Menü und besten Wein. Die Gastgeber des Partyhauses der Österreicher hatten sich für den Abend nach der Abfahrtsentscheidung in Val dIsère einiges einfallen lassen. Schließlich rechneten sie fest damit, dass es etwas zu feiern geben würde.
Aber ein paar Stunden zuvor hatte sich Österreich beim Sieg des Kanadiers John Kucera eine fast schon historische Schmach eingehandelt, und bis auf Michael Walchhofer ließ sich keiner der rot-weiß-roten Ski-Heroen blicken. Not macht bekanntlich erfinderisch, und deshalb ließ man auf die Schnelle eine Kristallmedaille anfertigen und hängte sie Walchhofer um - als heimlichen Helden des Wettbewerbs. Der Hotelier aus Zauchensee hatte ganz unfreiwillig dafür gesorgt, dass das Debakel der österreichischen Ski-Männer ein wenig in den Hintergrund trat, weil er die anspruchsvolle und kraftraubende Strecke innerhalb von 40 Minuten zweimal hinuntersauste. Er hatte noch einmal fahren dürfen, weil ein Start/Stopp-Signal überhört worden war, später wurde die Entscheidung annulliert, und Walchhofers erster Lauf kam in die Wertung. Statt Neunter wurde der 33-Jährige Zwölfter - für den Verantwortlichen des Österreichischen Skiverbandes war dies Grund, sich mächtig aufzuregen.
Dies überdeckte ein wenig den schlechtesten Auftritt einer österreichischen Speedmannschaft bei einer WM seit 20 Jahren. Am Samstag landete Hermann Maier als Bester auf Rang sechs. Christof Gruber ist ausgeschieden, Klaus Kröll wurde Neunter und Walchhofer eben Zwölfter. "Das ist, wie wenn Deutschland bei einer Fußball-WM in der Vorrunde ausscheidet", sagte der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier.
Mit Ausnahme von Didier Cuche schaffte es allerdings keiner der Top-Favoriten aufs Podest. Der Schweizer, drei Tage zuvor mit Gold im Super-G dekoriert, hatte das Glück der etwas früheren Startnummer. Nach ihm waren die Verhältnisse schlechter geworden, Miller, Kröll, Svindal und Walchhofer mussten sich durch eine Nebelbank kämpfen. Der neue Weltmeister Kucera, dessen bestes Abfahrtsresultat im Weltcup ein siebter Rang ist, war als Zweiter ins Rennen gegangen und nutzte die Gunst der guten Sicht.
"Wir haben mit einer Medaille gerechnet, da brauchen wir nicht drum herum zu reden, aber wir sind besser, als das Ergebnis besagt", behauptete Pum trotzig. Etwas besser vielleicht, aber auch im Weltcup mussten die Österreicher längst feststellen, dass die Jahre der Dominanz endgültig vorbei sind. Abfahrtstriumphe sind selten geworden. Erst einen Sieg gab es in diesem Winter in einer Schussfahrt, den von Walchhofer in Gröden, daneben noch vier weitere Resultate unter den besten drei in den bisherigen sechs Abfahrten.
Gründe für die Probleme der Nation haben die Verantwortlichen reichlich parat. Die Konkurrenz würde immer mehr von österreichischem Know-how profitieren, hieß es, nachdem ehemalige ÖSV-Trainer unter anderem mit den USA und Kanada Erfolge gefeiert hatten. Oder auch, dass die Siegfahrer Eberharter, Maier, Strobl, Knauss, Schifferer oder Trinkl der nachfolgenden Generation einst kaum Chancen auf Startplätze ermöglicht hatten. Die ehemaligen Champions sind bis auf Maier mittlerweile alle zurückgetreten, und nun klafft eine Lücke. Außerdem klagen die Österreicher über eine fast schon unheimliche Verletzungsserie, alleine drei potenzielle Podestfahrer aus der Speedmannschaft fallen derzeit aus. Hinter vorgehaltener Hand kommt mittlerweile auch aus der Mannschaft Kritik. Abfahrtsläufer würden zweitrangig behandelt, klagen einiger Schussfahrer. Der ÖSV hat im Hinblick auf den Gesamtweltcup Allrounder forciert und schließlich die Abfahrtsgruppe aufgelöst. Ausbezahlt hat sich die Umstrukturierung aber nicht: Zuletzt gewann ein Österreicher 2006 den Gesamtweltcup.
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