piwik no script img

Ski-Weltcup in Sölden„Mega“ – auch für die PR

Bei seinem Comeback fährt der ehemalige Ski-Dominator Marcel Hirscher in Sölden auf Platz 23. Ein anderer Rückkehrer stiehlt ihm beinahe die Show.

Gute Kurvenlage: Marcel Hirscher zeigt in Sölden, dass er es noch kann Foto: Jean-Christophe Bott/dpa

Als drei Norweger um den Sieg beim alpinen Weltcup-Auftakt kämpften, war der frühere Seriensieger längst fertig mit seinem Arbeitstag – dem ersten nach der Rückkehr aus der Ski-Rente. Marcel Hirscher landete beim Riesenslalom in Sölden auf dem 23. Platz, ein Ergebnis, nach dem er früher wortlos davongestapft wäre. Dieses Mal lachte Hirscher im Ziel, weil er mit 35 und fünfjähriger Wettkampfpause auf Anhieb wieder in der erweiterten Weltklasse mitmischen konnte. Das, sagte er, sei fast mehr wert als seine 67 Weltcupsiege, die er bis 2019 errungen hatte. Sportlich stand Hirschers Leistung aber fast im Schatten des zweiten Rückkehrers.

Lucas Pinheiro Braathen hatte vor einem Jahr in Sölden seine Karriere im norwegischen Team beendet, startet nun für Brasilien, der Heimat seiner Mutter, und wurde Vierter – hinter seinen drei früheren Mannschaftskollegen Alexander Steen Olsen, Henrik Kristoffersen und Atle Lie MacGrawth. Seine Bestzeit im zweiten Durchgang feierte er, der sich selbst als Showman bezeichnet, mit einem Tänzchen.

2.051 Tage hatte Hirscher Pause gemacht. In der Zeit gründete er ein Modelabel und baute mit Hilfe von Red Bull eine Ski-Firma sowie ein Ski-Team auf. Dass sein Comeback gut fürs eigene Geschäft ist, versteht sich. Aber als reinen PR-Gag dürfte das spätestens seit Sölden niemand mehr verstehen. „Es ist extrem schön, dass ich das noch einmal erleben darf, dass ich das die ganze Saison haben darf“, sagte er. „Skifahren war immer mein Leben und das ist es noch immer.“

Es war in den beiden Tagen vor dem Rennen, als der Start von Hirscher nach viel Hin und Her, endlich feststand, diskutiert worden, was der 35-Jährige noch im Stande ist zu leisten. Er selbst hat, und das war in seiner ersten Karriere nicht anders gewesen, seine Form, sein Potenzial heruntergespielt. Er sei eigentlich „nicht extrem bereit“, erklärte er und verwies auf Trainingsläufe gegen die Konkurrenz, in denen er zwei Sekunden langsamer gefahren sei. Als er im April sein Comeback verkündete, habe er nicht daran gedacht, schon ein halbes Jahr später in Sölden dabei zu sein, sagte er. Was ohne die Wildcard, die der Internationale Skiverband im Sommer einführte, auch kaum möglich gewesen wäre, waren doch bisher für einen Weltcup-Start eine bestimmte Anzahl von Fis-Punkten, gesammelt bei Rennen in niedrigeren Kategorien, nötig.

Man stört sich am Prozess

Nicht die Einführung dieser Wildcard hatte für Kritik gesorgt. Der Kitzbühel-Sieger im Slalom, Linus Straßer, findet, dass das Comeback von Hirscher „PR-mäßig ein Riesending ist, dass es dem Sport und der Einschaltquote gut tut“. Vielmehr stört man sich am Prozess. Das Alpin-Komitee der Fis, in dem üblicherweise solche Regeländerungen diskutiert werden, war dabei übergangen worden. Weil die Kritik so groß war, arbeitete die Fis nach und konkretisierte die Regel.

Dank der Wildcard durfte Hirscher als 34. starten. Pinheiro Braathen hingegen wurde aufgrund seiner Fis-Punkte eingestuft und war deshalb erst sieben Nummern später an der Reihe. „Früher habe ich gewusst, ich muss liefern. Heute darf ich Skifahren“, sagte Hirscher vor dem Rennen. Es sei „,mega“ gewesen zu wissen, ohne Druck zu fahren“.

Die Startintervalle waren wegen ihm und Braathen nicht wie sonst schon nach der Nummer 30, sondern erst nach der Nummer 41 verkürzt worden. Man wolle den Zuschauern die Möglichkeit geben, die Läufe der beiden Rückkehrer von oben bis unten zu verfolgen – am Fernseher oder an den großen Bildschirmen im Zielgelände, sagte Renndirektor Markus Waldner. „Das ist Werbung für unseren Sport.“ Selbst in Brasilien wurde der Riesenslalom von Sölden übertragen, zum ersten Mal. Wegen Braathen – nicht wegen Hirscher.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!