Skateboard-Contest: Frauen auf Brettern

Am 19. August läuft mit „Suck my Trucks“ einer der wenigen deutschen Skateboard-Contests nur für Frauen. Braucht man das noch?

Eine junge sportliche Frau beim Sprung mit einem Skateboard über eine kleine Rampe

Diesmal gucken die Jungs zu: Linda Ritterhoff beim Skaten im Mellowpark Foto: Ksenia Les

In einem Sommer vor 18 Jahren findet Linda Ritterhoff die Liebe zum Skaten. Sie wächst auf dem Land auf, und in der Kleinstadt nebenan fahren die Jungs auf dem Schulhof Skateboard. „Ich saß da einen Sommer lang total passiv und habe gedacht: geil.“ Die Jungs machen Tricks, die Mädels gucken zu: Diese Aufteilung hat Skate-Booms und Skate-Flauten überlebt, und den rasanten Weg vom Punk zur Kommerzialisierung.

Irgendwann aber hat Linda Ritterhoff keine Lust mehr, Publikum zu sein. Als sich zwei ihrer Freunde, Jungs natürlich, ein Brett kaufen, packt es sie. Sie fängt mit ihnen an und hört nicht wieder auf.

18 Jahre später skatet Linda Ritterhoff fast jeden Tag. Ihre Location für diesen Abend, der Mellowpark in Köpenick, ist ein ruhiger Ort zum Skaten. Weit genug draußen, um nicht überlaufen zu sein, nahe genug dran für Berliner Flair. Linda Ritterhoff fährt über Rampen und Rails, Musik im Ohr. Sie ist hier verabredet mit zwei anderen Mädels vom Kollektiv Grrroll, einer Gruppe von Berliner Skaterinnen, eine eher lose Community.

Man trifft sich zum Mädels-Skaten, ein harter Kern von fünf bis sieben Frauen. Und dann skatet jede vor sich hin. „Für Jungs ist es mittlerweile völlig normal, wenn Mädels hier skaten“, so Ritterhoff. Eine relativ neue Errungenschaft. Als sie nach Berlin zog, begegnete sie kaum Skaterinnen.

Pionierinnen auf den Boards

Suck my Trucks ist einer der wenigen Skateboard-Contests in Deutschland, die nur für Frauen sind. Der Contest existiert seit 2011. Los geht’s am 19. August, 14 Uhr. Der Contest findet in der Skatehalle Berlin, Revaler Straße 99, statt und geht bis 19 Uhr. Ab 13 Uhr öffnet außerdem die kostenlose Ausstellung „Girls Skate History“ im Cassiopeia.

Der Eintritt zum Contest kostet für Zuschauer 5 Euro. Wer teilnehmen will, zahlt 15 Euro Startgeld. Es ist ein Preisgeld von 2.000 Euro ausgeschrieben.

Grrroll ist ein loser Zusammenschluss von Berliner Skaterinnen. Eine zweite Gruppe sind die ­Skate Girls Berlin. Jeden Montag gibt es im Mellowpark in Köpenick eine Girls-Skate-Session. In Berlin gibt es schätzungsweise 50 Skaterinnen, von denen etwa zehn ambitioniert sind.

Olympia Skateboard wurde 2016 neu zur olympischen Sportart erklärt und wird zum ersten Mal bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio ausgetragen – von den Frauen und den Männern. Die Wettbewerbe finden in den Kategorien „Street“ und „Park“ statt. (asc)

„2008 ging es los, dass in Berlin auch ein paar Mädels kamen“, sagt auch Jane Niendorf. Niendorf, eine der Organisatorinnen von Grrroll, erzählt mit der lässigen Toughness von einer, die es gewohnt ist, Pionierin zu sein. 1998 fängt sie in Magdeburg mit Inlinern an und dann mit dem Board – als einziges Mädchen. Auch als sie 2007 nach Berlin zieht, trifft sie keine Skaterinnen. Heute schätzt sie den aktiven Skaterinnen-Kern in der Stadt auf zehn Frauen; ähnlich sieht es die Nationaltrainerin des neu geschaffenen Frauen-Olympiateams, Yvonne Labedzki.

Labedzki ist in der übersichtlichen Frauen-Skaterszene eine, bei der viele Fäden zusammenlaufen. Sie trainiert nicht nur das neue Olympiateam, sie ist auch Mitgründerin und Organisatorin von „Suck my Trucks“, einem reinen Frauen-Contest, der seit 2011 jährlich in Berlin stattfindet. 20 bis 30 Teilnehmerinnen dürften kommen. „Es ist krass, wie sich die weibliche Skaterszene in den letzten Jahren entwickelt hat“, sagt Labedzki. Von Olympia erhofft sie sich einen weiteren Push: „Hier werden die Frauen von Anfang an mit ins Boot geholt, auf Augenhöhe.“

Nicht ganz: Das Männerteam ist größer als das Frauenteam. Auch die Preisgelder für Frauen sind bei vielen Contests niedriger. Und das regelmäßige Frauen-Skaten, das Labedzki mit ihren Suck-my-Trucks-Mitstreiterinnen in der Skatehalle Berlin aufbaute, gibt es heute nicht mehr. „Es hat sich keine Langzeitfinanzierung realisieren lassen.“ Bei allem Fortschritt: „Wir sind noch in einer Aufholphase“, sagt auch Linda Ritterhoff.

Vielen fällt der Anschluss schwer

Die Mädels von Grrroll sind an diesem Sommerabend nicht die einzigen Frauen im Mellowpark. Aber die einzigen mit Brett: Zwei sind Muttis, die auf ihre skatenden Söhne aufpassen. Und eine guckt ihrem Freund zu. Da ist es also wieder, das Klischee. Warum es so lange gedauert hat mit den Mädels und dem Skaten, dafür gibt es viele Erklärungsversuche.

Anerzogene Normen, sagt Labedzki, und die Einstellung der Gesellschaft zu Frauen im Funsportbereich. Und Skateboard sei eben auch ein Sport, in den man ohne Clique nicht leicht reinkommt. „Ich glaube, viele Frauen hören wieder auf, weil sie nicht den Anschluss finden“, sagt Miriam Jadischke von ­Grrroll, die seit fünf Jahren skatet und ganz allein reinfand. „Ich fand es am Anfang auch schwer. Ich konnte mich auf dem Brett gar nicht vorwärts bewegen.

Die Jungs machen Tricks, die Mädels gucken zu: Diese Aufteilung hat Skate-Booms und Skate-Flauten überlebt

Skaten ist nicht wie eine Sportart, bei der man in einen Verein eintritt, Kurse macht und einen Trainer hat, der einen zum Weiterkommen begleitet.“ Wirkliche Ablehnung von Jungs, sagen die Skaterinnen, haben sie allerdings nie erfahren.

Einfach machen

Inzwischen tragen neue Trends wie Longboard dazu bei, dass mehr Mädchen aufs Brett steigen. „Ich habe das Gefühl, dass die Jüngeren da viel selbstverständlicher rangehen“, sagt Linda Ritterhoff. Ist es dann überhaupt noch sinnvoll, wenn man in Contests wie „Suck my Trucks“ nur Frauen einlädt, zementiert das nicht nur Unterschiede? Fürs Erste sei es gut, findet Ritterhoff. „Man kann Randgruppen erst mal durch exklusive Bereiche pushen. Aber dann muss man auch zusehen, dass man die Gruppen wieder zusammenbringt.“.

Die Chancen stehen nicht schlecht, Berlin ist die Hauptstadt des Aufholens: Drei der sechs Skaterinnen aus dem Nationalteam kommen von hier, eine vierte zieht gerade her. Die Szene ist zwar auch unter den gut vernetzten Frauen wenig verbunden, weil die Stadt so groß ist. Aber so ist die Freiheit, so ist das Skaten. Ihre Clique sucht sich jede selbst. Jane Niendorf skatet heute nur noch mit Frauen. Ritterhoff und Jadischke finden das zu einseitig, sie skaten auch mit Jungs.

Hauptsache, man macht sich weniger Gedanken, findet Ritterhoff. „Wir alle sollten mal aufhören, unsicher zu sein, und einfach machen“, sagt sie. „Ich habe nie im Leben eine schlechte Reak­tion aus der Szene gekriegt. Das Meiste passiert in deinem Kopf.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.