Skandale erschüttern Schach-Welt: Züge aus Niemanns Hand
Weltmeister Magnus Carlsen weigert sich, gegen Hans Moke Niemann zu spielen. Ausdruck eines Generationenkonflikts? Oder geht es um Betrug?
E s ist der größte Skandal der jüngeren Schachgeschichte. Vielmehr: Es könnte der größte Skandal der jüngeren Schachgeschichte sein. Worum genau es sich handelt, kann mit Gewissheit fast niemand sagen, und jene, die es könnten, weigern sich.
Klar ist nur: Magnus Carlsen, amtierender Weltmeister und bester Spieler der Welt, weigert sich, gegen Hans Moke Niemann zu spielen. Hans Moke Niemann ist 19 Jahre alt und Teil einer aufstrebenden jungen Generation im Schach.
Im Sinquefield-Cup Anfang September diesen Jahres trafen beide Spieler aufeinander, Carlsen verlor überraschend. Daraufhin zog Carlsen sich ohne Erklärung vom Turnier zurück, ein ungeheurer Vorgang. Es kamen bald Spekulationen auf, Carlsen verdächtige Niemann des Betrugs. Mehr als Indizien allerdings sind dazu nicht bekannt.
Öffentlich bekannt wurde allerdings, dass Niemann bereits in der Vergangenheit betrogen hat. Zwei Fälle hat Niemann selbst zugegeben, bei Online-Partien, der jüngste soll drei Jahre zurückliegen.
Die Diskussion über die Gründe der Vorfälle teilt die Schachcommunity in zwei Lager. Es gibt jene, die überzeugt davon sind, dass Niemann nach wie vor nicht sauber spielt und seinen überraschend steilen Aufstieg der letzten Monate misstrauisch beäugen. Andere vermissen konkrete Beweise und werfen Carlsen vor, mutwillig die Karriere eines jungen Mannes sowie das Ansehen des gesamten Sports zu beschädigen.
Niemanns Trainer wurde des Betrugs überführt
Dass Carlsen Niemann im Verdacht hat, unsauber zu spielen, daran hat kaum noch jemand Zweifel. Als kürzlich beide beim Julius-Baer-Generation-Cup aufeinandertrafen, spielte Magnus Carlsen einen Zug und gab die Partie dann verloren. In einem Interview nach der Partie nannte er Hans Niemanns Performance „beeindruckend“ und erwähnte auch dessen Coach, Maxim Dlugy. Dlugy ist selbst des Betrugs überführt worden.
Es gibt nur zwei Arten, wie im Schach betrogen werden kann. Entweder ein*e Spieler*in verschafft sich Zugang zu den Vorbereitungen der Gegner*innen, oder es wird während der Partie geholfen. Die zweifelsfreie Überführung gelingt fast nur, wenn die beschuldigte Person beim Betrug selbst erwischt wird. Zwar gibt es verschiedene Expert*innen, die mit statistischen Modellen Ungereimtheiten erkennen können; in der Interpretation dieser Ergebnisse allerdings gibt es Spielräume. Gerade wenn sich starke Spieler*innen punktuell helfen lassen, ist schwer nachzuvollziehen, ob es sich um einen menschlichen Geniestreich handelt oder ob sie einen Computer für sich haben rechnen lassen. Bei Hans Moke Niemann beispielsweise sind sich jene Expert*innen uneins.
Der Schachboom der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass das Spiel lukrativer wurde. Das erhöht die Attraktivität für Betrüger*innen, die im Schach seit Beginn der Engines auch alle Mittel haben, um sich einen Vorteil zu ergaunern.
Ganz ausschließen konnte man Betrüger*innen auch früher nicht. Eine der Möglichkeiten, Betrug vorzubeugen, ist die Verknappung der Bedenkzeit, denn: Sich helfen zu lassen, erfordert Zeit. Am sichersten, dass sich Partien regelkonform abgespielt haben, kann man sich nur in Blitz- und Bulletpartien sein, und auch da nur auf höchstem Niveau. Dieser Skandal ist Teil des Niedergangs des klassischen Schachs.
Magnus Carlsen hat angekündigt, seine Vorwürfe bald zu präzisieren. Zunächst aber wird er am heutigen Freitag das Halbfinale des Julius-Baer-Cups gegen Vincent Keymer bestreiten. Einen weiteren Eklat wird es zumindest in diesem Turnier nicht mehr geben: Hans Moke Niemann verlor sein Viertelfinale, die beiden werden in diesem Event nicht mehr aufeinandertreffen.
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