Skandal in Großbritannien: Klonsteaks à la carte
Der Skandal in Großbritannien beweist, dass auch in Europa geklontes Fleisch verkauft wurde. Dabei sind die gesundheitlichen Folgen von Klonfleisch unklar.
Der Skandal um Klonfleisch in Großbritannien weitet sich aus. Eine Sprecherin der britischen Lebensmittelbehörde FSA sagte am Donnerstag der taz, dass zwei durch Klonen erzeugte Bullen in den Handel gelangt seien. "Das Fleisch beider Tiere wird gegessen worden sein", erklärte das Amt. Die Zuchtorganisation Holstein UK teilte mit, dass zwei Klontiere schätzungsweise 200 Nachkommen gezeugt hätten, deren Fleisch aber offenbar nicht verkauft wurde. Zuvor war nur von einem Bullen die Rede, der auf den Markt gelangt war.
Damit ist erstmals bewiesen, dass Produkte von Klontieren in Europa an Verbraucher verkauft wurden. Zwar sind die britischen Funde Experten zufolge eine Ausnahme. Sie zeigen aber, dass auch in Europa die Klonierung von Tieren zunimmt. In den USA ist Klonen für die Lebensmittelproduktion schon lange ein weitgehend akzeptiertes Verfahren.
Insgesamt weiß die FSA von acht Embryonen, die aus dem Erbmaterial einer Kuh in den USA gewonnen wurden. Beim Klonen wird das Erbgut eines Lebewesens in eine leere Eizelle eingesetzt, um eine Kopie mit denselben genetischen Eigenschaften zu schaffen. Alle Tiere waren Holstein-Rinder, eine sehr weit verbreitete Milchviehrasse. Ein Rind starb der Behörde zufolge kurz nach der Geburt, die anderen wurden geschlachtet oder leben bis heute in Milchviehherden. Ob ihre Milch verkauft wurde, ist ungewiss.
Die FSA äußerte sich nicht dazu, warum die Farmer die Klonembryonen gekauft haben. "Die Mutterkuh hat 2002 eine große Rinderschau in den USA gewonnen. Ein Farmer wollte einfach eine genauso schöne Kuh haben. Es war eine rein ästhetische Sache", sagte Holstein-UK-Sprecher Simon Gee der taz. Ob das stimmt, darf bezweifelt werden, denn Gee schätzte den Preis der Embryonen auf mehrere tausend US-Dollar. Wegen dieser hohen Kosten wollen die meisten Züchter durch Klonen eher Tiere unbegrenzt reproduzieren, die zum Beispiel besonders viel Milch geben. So können Züchter auch nach dem Tod des Orginalrinds unbegrenzt lange von dem Tier profitieren.
Für die Tiere bedeutet diese Technik allerdings Leiden und Schäden, findet zumindest der Deutsche Tierschutzbund. Nur 0,5 bis 5 Prozent der Klonembryonen, die in eine Leihmutter eingepflanzt werden, überlebten. Die geborenen Klontiere würden öfter erkranken als normale.
Der Biotechnologe Heiner Niemann vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit hält dagegen, dass dank des technologischen Fortschritts schon 10 bis 15 Prozent der Rinder-Embryonen überlebten. Überhaupt kann er kein Tierschutzproblem erkennen: "Es geht nicht um Tierchen, sondern um kleine Zellhaufen." Für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit fehlten Daten. "Die Tiere im Mutterleib sind teilweise schon sehr groß und durchaus schmerzempfindlich", widerspricht dem Uwe Nickels vom Tierschutzbund. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) habe festgestellt, dass nach der Geburt mehr Klontiere stürben als bei natürlicher Fortpflanzung. Selbst wenn 15 Prozent der Embryonen überlebten, sei der Verlust inakzeptabel.
Martin Häusling, Agrarexperte der Grünen im EU-Parlament, kritisiert das Klonen von Tieren vor allem als Versuch von Chemiekonzernen, mehr Macht über die Ernährung zu erlangen. "Klontiere unterliegen meist dem Patentschutz. Monsanto ist ein Big Player in dem ganzen Spielchen", sagt der Abgeordnete. Mit Hilfe der Patente könnten die Unternehmen etwa Bauern verbieten, die Tiere weiterzuzüchten und zu verkaufen. Klonforscher Niemann bestreitet aber, dass die Firmen sich Patente sichern wollten. Doch Christoph Then von der Organisation Testbiotech führt ein bekanntes Gegenbeispiel ein: das Klonschaf Dolly, das sehr wohl unter Patentschutz stehe.
Gesundheitsrisiken für den Verbraucher sind Then zufolge nicht auszuschließen. Möglicherweise habe Klonfleisch mehr Krankheitserreger. Niemann antwortet, dass die Efsa und ihr US-Pendant FDA keine Gefahr erkennen konnten. Doch beide Behörden gelten als industrienah. Und Then sagt: "Es gibt fast keine von unabhängiger Seite überprüfte Studie zur Sicherheit von Klon-Lebensmitteln."
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