Sittenwächter in Wuppertal: „Scharia-Polizei“ sorgt für Aufregung
Politiker empören sich über das Auftreten einiger Salafisten als „Scharia-Polizei“ in Wuppertal. Sie stellen klar: Das wird „auf deutschem Boden“ nicht geduldet.
BERLIN dpa | Die Bundesregierung will das Auftreten selbsternannter radikalislamischer Sittenwächter als „Scharia-Polizei“ in Deutschland nicht hinnehmen. „Die Scharia wird auf deutschem Boden nicht geduldet. Niemand darf sich anmaßen, den guten Namen der deutschen Polizei zu missbrauchen“, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) der Bild-Zeitung (Samstag).
Justizminister Heiko Maas (SPD) betonte in dem Blatt: „Für die Durchsetzung von Recht und Gesetz ist allein der Staat verantwortlich (...). Klar ist damit auch: Eine illegale Paralleljustiz werden wir nicht dulden.“
Radikalislamische Salafisten waren in Wuppertal mehrfach in orangefarbenen Westen als „Scharia-Polizei“ aufgetreten und nachts durch die Straßen patrouilliert. Die Scharia ist das islamische Recht, das von Salafisten extrem konservativ ausgelegt wird.
Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte ein hartes Vorgehen: „Das kann ein demokratischer Rechtsstaat nicht tatenlos hinnehmen“, sagte er der Passauer Neuen Presse (Samstag). „Deshalb ist es richtig, dass die Polizei konsequent einschreitet.“ Das bestehende rechtliche Instrumentarium reiche für eine Verfolgung der Täter aber aus.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach sich für ein Verbot selbsternannter „Scharia-Polizisten“ aus. „Für die Einhaltung der öffentlichen Ordnung sorgen unsere Polizisten und nur sie. Deshalb müssen wir ein Verbot dieser vermeintlichen islamischen Tugendwächter prüfen“, sagte er der Welt am Sonntag. Falls es dafür keine Rechtsgrundlagen geben sollte, „müssen wir sie schaffen“.
Kein Alkohol, kein Glücksspiel, keine Musik
Der Zentralrat der Muslime verurteilte die Aktion in Wuppertal scharf. „Diese paar Halbstarken sprechen nicht in unserem Namen“, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek dem Tagesspiegel am Sonntag. „Diese Leute betreiben eine Zweckentfremdung unserer Religion. Sie schaden mit dieser schrillen und völlig unsinnigen Aktion den Muslimen ungemein.“
Die Islamisten hatten mit gelben Verbotshinweisen den Anspruch auf eine „Shariah Controlled Zone“ (Scharia-kontrollierte Zone) erhoben. Darauf sind Verhaltensregeln der radikalen Muslime festgehalten: Kein Alkohol, kein Glücksspiel, keine Musik und Konzerte, keine Pornografie und Prostitution, keine Drogen.
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) ordnete am Samstag an, die Westen mit dem Aufdruck „Shariah Police“ sofort sicherzustellen, sollten die radikalen Islamisten damit erneut in der Öffentlichkeit auftauchen, wie ein Ministeriumssprecher sagte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatte es zunächst rechtlich keine Handhabe gegeben, die Westen sicherzustellen.
Festgenommen wurden die Männer im Alter von 19 bis 33 Jahren demnach nicht. Gegen elf Personen wurde aber ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet. Falls jemand aufgefordert wurde, eine Diskothek nicht zu betreten, müsse geprüft werden, ob eine Nötigung vorliege, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.
„Salafisten unterschätzt“
Die Grünen im Bundestag lobten das Eingreifen der Polizei. „Es ist wichtig, derartige islamistische Umtriebe gleich ernst zu nehmen und nicht erst wachsen zu lassen“, sagte die Sprecherin für Innere Sicherheit, Irene Mihalic. Daher müsse auch die Aufklärungs- und Präventionsarbeit dringend gestärkt werden.
Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer forderte, Werbung für die unbedingte Einhaltung der Scharia unter Strafe zu stellen. Er sagte dem Tagesspiegel am Sonntag: „Der Staat darf es nicht hinnehmen, dass eine radikale islamistische Minderheit auf unseren Straßen einen religiösen Verhaltenskodex propagiert.“
Der Chef der NRW-CDU, Armin Laschet, warf der rot-grünen Landesregierung Versagen im Kampf gegen den Salafismus vor. „Die Landesregierung hat die Salafistengefahr völlig unterschätzt“, sagte Laschet, der auch CDU-Bundesvize ist, dem Kölner Sonntag-Express. NRW sei zum Haupttummelplatz der radikalen Islamisten geworden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite