Kommentar: Sinkflug
■ Warum Meinungsumfragen Politik auch nicht besser machen
Der Sinkflug ins Tal der Niveaulosigkeit nimmt Geschwindigkeit auf: Wer als wahlkämpfender Politiker nicht mehr weiter weiß, tut einfach etwas, was er bis vor ganz kurzer Zeit noch als völlig unnötig abgelehnt hat, beim Blick in Volkes Seele aber als populär geortet hat. Kurz danach macht er eine Umfrage. Und, oh Wunder, die bestätigt, dass die meisten Bürger Brechmitteln sinnvoll finden. Warum sich noch Gedanken machen, wenn das Volk – so ganz offiziell erforscht – auf der eigenen Seite steht?
Aber was soll das? Macht das Brechmittel besser? Sinnvoller? Nein, aber es bestätigt den Innensenator in dem, was er vor kurzem selber noch nicht geglaubt hat. Das baut auf, das kann er für gute Politik halten oder zumindest verkaufen.
Da stehen noch ein paar Umfragen aus: „Sind Sie nicht auch der Meinung, dass alle 30-Kilometer-Zonen abgeschafft und in der Stadt Tempo 70 erlaubt sein sollte?“ Fände sich sicher eine Mehrheit. Oder: „Finden Sie nicht, das Sexualstraftäter ein Leben lang hinter Gitter gesperrt gehören?“. Auch dafür wären sicher viele.
Aber würde es das sinnvoller machen? Wäre es dadurch bessere Politik? Nein, aber es würde passen in dieses wahllose Konzept zur Wahl, die gewonnen werden will. Um jeden Preis.
Dumm nur, dass die Meinungs-Mode etwa so schnell wechselt wie das Wetter: Anfang Mai haben bei einer nicht repräsentativen Umfrage von Hamburg 1 noch 51 Prozent der Anrufer das Thema Innere Sicherheit für einen Wahlkampf-Gag der Opposition gehalten.
Sandra Wilsdorf
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