Sind Sie glücklich?: „Wenn mein Geist frei ist“
■ 11 Uhr, Alexanderplatz. Carla Castor kommt aus Costa Rica und denkt nicht viel an die Zukunft. Sie lebt nur den Moment. Geistige Freiheit bedeutet für sie Glück
„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Wittenbergplatz und dem Alexanderplatz um.
Die 30jährige fliegende Händlerin Carla Castor: Ja, weil ich frei bin. Ich lebe sozusagen nicht im System. Wenn mein Geist frei ist, dann bin ich auch frei von allem. Ich habe keine Angst. Ich denke, ich bin zufriedener und freier als viele Leute. Glück ist für mich, gesund zu sein und den Moment zu leben. Also nicht immer in der Vergangenheit zu leben und auch nicht so viel an die Zukunft zu denken. Als ich nach Berlin kam, war ich unglücklich. Denn ich komme eigentlich aus Costa Rica, und alles war anders hier. Ich konnte kein Deutsch, und so hatte ich auch keinen Kontakt mit den Leuten. Da habe ich mir gesagt, ich muß ein bißchen fleißig sein beim Lernen, und dann geht es schon.
Seit vier Jahren bin ich jetzt hier, und die Leute finde ich eigentlich nett, aber sie sind auch ein bißchen komisch. Sie sind manchmal unfreundlich, weil sie denken, wir nehmen ihnen die Arbeit weg. Aber die Leute wollen auch gar nichts anderes machen. Zum Beispiel ein Doktor, der nur als Doktor arbeiten will. Sie wollen nur in ihrem Beruf arbeiten, denn sie haben keine anderen Möglichkeiten im Kopf. Sie sind so engstirnig.
Ich denke nicht an die Zukunft. Es ist besser, wenn ich jeden Tag lebe. Täglich stehe ich hier mit dem Schmuck. So kann ich mit vielen Leuten sprechen. Ich kann den Bauchladen nicht absetzen, denn dann würde ich von der Polizei eine Strafe bekommen. Denn wir haben keine Ausnahmegenehmigung für einen Stand, das genehmigt das Bauaufsichtsamt nicht. Wahrscheinlich wegen der Ordnung. Ich habe nur eine Gewerbekarte und kann hier stehen. Karen König
Heute stehen wir auf dem Wittenbergplatz.
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