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Sind Drohnen blind?

■ Kosovo ist die bestüberwachte Weltregion. Und doch „verschwinden“ ganze Flüchtlingszüge

Und plötzlich waren die Kosovo-Albaner verschwunden. Auch Verteidigungsminister Scharping mußte beim einem Pressebriefing passen: Wie kommt es, daß in der derzeit meistüberwachten Region der Welt Tausende von Flüchtlingen einfach vom Radarschirm verschwinden? Harmlos fragte ein Reporter, wo denn die Erkenntnisse blieben der vielbeschworenen amerikanischen Beobachtungssatelliten, die doch bei jedem Wetter Aufnahmen machen könnten. Und was ist mit den Aufklärungsergebnissen der unbemannten Drohnen vom Typ CL 289, „die im Tiefflug in jedes Gebiet hineinprogrammiert“ werden können? Im Kosovo, einem Gebiet nicht größer als Hessen, solle es nicht möglich sein, Täler auszumachen, „wo eine große Anzahl von Männern zusammen steht?“

Der Minister druckste, zeigte Verständnis und versprach Besserung: „Wir sind zur Zeit dabei, eine zweite Drohnen-Batterie dorthin zu schaffen“. Hans Franck, stellvertretender Generalinspekteur der Bundeswehr, sprang dem Chef zur Seite: „Wir haben in der letzten Zeit im Kosovo sehr schlechtes Wetter gehabt. Und Satellitenaufnahmen setzen gutes Wetter voraus.“

Um das Kosovo hat die Nato aufgefahren, was sie an Aufklärungsequipment zu bieten hat: Satelliten, Drohnen und luftgestützte Radaraufklärer des Typ „Awacs“. Die Satelliten steuert in den Vereinigten Staaten das „National Reconnaissance Office“ (NRO). Die Amerikaner sind zur Zeit auch die einzigen, die zwei- bis dreimal täglich aus dem Weltraum Bilder vom Kosovo schießen. Fotos dieser Missionen werden auch dem Bonner Verteidigungsministerium zur Verfügung gestellt. Doch sie unterliegen strenger militärischer Geheimhaltung. Bei den Erkundungssystemen der CL 289 (die von der Bundeswehr bis zu sechsmal am Tag gestartet werden) wird die militärische Spezifikation dafür verantwortlich gemacht, daß es über den Verbleib so vieler Vertriebene keine Erkenntnisse gibt. „Eine flächendeckende Aufklärung“, wiederholte Scharping gestern, „ist mit Hilfe der Drohnen nicht möglich.“

Die Drohnen, erläutert ein Sprecher der Hardthöhe, folgen einer einprogrammierten maximal 35-minütigen Flugroute. Es wäre daher ein „Zufallsfund“, sollte einer dieser Flieger Vertriebene lokalisieren können. Schwierig seien zudem Menschen auszumachen, die sich in Wäldern, Bäumen oder Häusern versteckt hielten.

Ratlos bleibt der Sprecher allerdings bei der Frage, warum man die Drohnen nicht zur Aufklärung des Verschwindens der kilometerlangen Menschenschlangen an der makedonischen Grenze eingesetzt hat. Über die „operative Planung“ sei er nicht unterrichtet. Gleichwohl führt er an, daß Ziel der Aufklärung „auch ist, was mit den Flüchtlingen passiert“.

Bei Satellitenbildern spielt Geheimhaltung eine große Rolle. Kaum ein Militärexperte glaubt, daß die USA, Bundeswehr oder den Briten vollständige Aufklärungsergebnisse überlassen. Damit würden sie den Stand ihrer technischen Fähigkeiten offenbaren, und das macht das US-Militär nicht einmal gegenüber den eigenen Verbündeten. Es könnte durchaus sein, daß der Verbleib der Vertriebenen so unbekannt gar nicht ist – nur wird er nicht bekanntgegeben. Wolfgang Gast

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