Siegesserie von Bayer Leverkusen: Die große Wirtz-Show
Beim 5:1-Erfolg von Leverkusen gegen den SC Freiburg überragt Florian Wirtz alle. Und der FC Bayern hat wieder einen ernsthaften Konkurrenten.
![Florian Wirtz springt in der Mitte jubelnd in die Luft. Links und rechts jubelt jeweils ein Mitspieler Florian Wirtz springt in der Mitte jubelnd in die Luft. Links und rechts jubelt jeweils ein Mitspieler](https://taz.de/picture/7429311/14/imago1056016160-1.jpeg)
Wie ein Magier sah Florian Wirtz wahrlich nicht aus, als er alleine, fast ein wenig einsam, in die Weihnachtsruhe verschwand. Der wohl faszinierendste Spieler der Bundesliga trug einen viel zu groß wirkenden hellblauen Jogginganzug, Oversizestyle, dazu ein schneeweißes Designertäschchen um die Schulter, die Kapuze des Hoodies tief im Gesicht. Er erinnerte eher an einen Schlumpf als an einen Sportler, dem zuzutrauen ist, im kommenden Jahr zum besten Fußballer der Welt zu werden.
Jedenfalls staunen Zuschauer, Mitspieler und Gegner alle paar Tage gleichermaßen über die Aktionen dieses Künstlers, der ein Getriebener ist und zugleich ein Arbeiter. „Flo ist Flo“, sagte Trainer Xabi Alonso, um zu beschreiben, was sich kaum in Worte fassen lässt. Beim 5:1 (1:0) gegen den SC Freiburg war es ihm sogar gelungen, den vierfachen Torschützen Patrik Schick zu überstrahlen. „Ich war wirklich während des Spiels mehrmals erstaunt“, sagte der Freiburger Stürmer Michael Gregoritsch, als er nach Wirtz gefragt wurde, „gefühlt macht er, was er will und es funktioniert; es ist eine Augenweide“.
Jeder Ballkontakt wirkte wie ein neuer unerwarteter Schnörkel eines Virtuosen. „Wenn man den Fußball liebt und ihm zuschauen kann, dann ist das unglaublich, wie der Junge mittlerweile spielt, das ist ja Wahnsinn“, sagte Christian Günter, der Kapitän des SC. Und dieser „unfassbare Spieler“ (Gregoritsch) hat auch noch das Glück, in einer der leistungskulturell gesündesten Mannschaften zu spielen, die es derzeit im europäischen Spitzenfußball gibt. Bayer Leverkusen hat sich während der vergangenen Wochen abermals zu einem sehr gefährlichen Konkurrenten für Bayern München im Titelkampf entwickelt und ist vielleicht sogar noch ein Stück variabler und vielseitiger.
Neun Punkte betrug der Rückstand auf die Bayern nach elf Spieltagen, vier Partien später sind es nur noch vier Zähler. Zudem haben die Leverkusener den Tabellenführer auswärts im DFB-Pokal geschlagen. Nach einer schwächeren Phase im Herbst habe das Team „wieder diesen Biss gefunden, diese Energie, diesen Siegeswillen“, sagte Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes.
Neuen Hunger entwickelt
„Am Anfang der Saison war die Euphorie so riesig, da war es vielleicht auch Kopfsache“, sagte Granit Xhaka. Das Gefühl, mit dem Double etwas Einzigartiges erreicht zu haben, den ersten Meistertitel für diesen Klub überhaupt, war nicht immer hilfreich. Alle wussten ja, dass die Erlebnisse aus der Vorsaison eigentlich nicht übertroffen werden können. „Es ist nicht so, dass man nicht wollte, aber man konnte nicht immer an Grenzen gehen“, sagte Xhaka. Irgendwie haben sie es geschafft, einen neuen Hunger zu entwickeln, angetrieben von Xabi Alonso, der die Dynamiken des Fußballs auf dem allerhöchsten Niveau versteht und moderiert wie kaum ein anderer Trainer. Und von Florian Wirtz, dem im Gegensatz zu manchem Kollegen auch in der Saisonanfangsphase nie die Energie fehlte.
Die Schwärmereien der Beobachter ergänzte Xhaka zum Jahresabschluss noch mit der Innenperspektive: „In seinem Alter diese Konstanz alle drei Tage auf diesem Niveau spielen zu können, verdient ganz großen Respekt“, sagte der erfahrene Schweizer. „Der Junge arbeitet so viel, wenn man ihn jeden Tag sieht im Training, wie hungrig er ist“, sei imponierend. Der 21-jährige Nationalspieler, der seinen Vertrag entgegen anderslautender Berichte (noch) nicht verlängert hat, suche permanent „nach Sachen, die er verbessern möchte, das Ergebnis sieht man auf dem Platz“, erläuterte Xhaka.
Gegen Freiburg hat Wirtz ein Tor geschossen, drei der vier Schick-Treffer hat er vorbereitet, außerdem hat er einen Elfmeter erdribbelt, den er dann selbst verschossen hat. Diesen immer höher fliegenden Spieler haben die Leverkusener also dem FC Bayern voraus. Granit Xhaka ist der klügste Taktgeber der Liga, und Jonathan Tah der souveränste Abwehrchef, und die Stürmersituation ist ebenfalls vielversprechend: Beim Tabellenführer spielt Harry Kane, die Leverkusener haben den derzeit verletzten Victor Boniface und den aufblühenden Schick, der so stark spielt wie nie, seit Alonso sein Trainer ist. Bayer Leverkusen ist auch ohne den Rausch des Vorjahres zu einem Team gereift, dem weitere Titel zuzutrauen sind, und das neue Jahr beginnt mit einem Knall: mit einer Partie bei Borussia Dortmund.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau