Sieg für BaumaktivistInnen: Doch keine Schokolade statt Bäume
In NRW können UmweltschützerInnen die Abholzung eines gesunden Waldes zur Süßwarenproduktion um Monate verzögern – vorerst.
Die Besetzung lasse „eine weitere und womöglich ausufernde Eskalation befürchten“, sagt Storck-Sprecher Bernd Rößler. Daran habe die Firma, deren Marken wie „Toffifee“, „Merci“ oder „Knoppers“ in fast jedem Supermarkt zu kaufen sind, „kein Interesse“
Die Naturschützer:innen halten das Waldstück, das zum Teil Storck, zum Teil der Stadt Halle/Westf. gehört, seit Sonntag besetzt. Vor Ort seien etwa 40 bis 50 Aktivist:innen, berichtet der Mediziner Thomas Müller-Schwefe der taz am Telefon – der 66-Jährige hat sich den Protesten von Extinction Rebellion angeschlossen, übernachtet seit Tagen im Freien. Es gebe Plattformen in den Bäumen, Tripods, Blockaden, eine Mahnwache von Fridays for Future an der angrenzenden Landstraße.
Eine gewaltsame Räumung durch die Polizei fürchteten die Besetzer:innen seit Mittwochabend. Zuvor war ein Ultimatum von Halles CDU-Bürgermeister Thomas Tappe abgelaufen. Geplant war aber, den Wald bis mindestens Ende Februar besetzt zu halten: Ab März macht die beginnende Vogelbrut ein Abholzen naturschutzrechtlich schwierig.
Abholzung für die kommenden Monate vom Tisch
Nach dem Rückzug Storcks gibt sich aber auch Tappe gesprächsbereit: „Wenn die Firma auf eine Räumung verzichtet, verhalten wir uns genauso“, so der Bürgermeister zur taz. Die Abholzung des Waldes dürfte damit zumindest für die kommenden Monate vom Tisch sein.
Storck, einer der größten Süßwarenfabrikanten Europas, plant in Halle in Westfalen eine Erweiterung seines Standorts um satte 23 Hektar. Dazu soll auch ein Bach verlegt werden, der aktuell unterirdisch unter dem künftigen Betriebsgelände verläuft. „Offenbar fürchtet das Unternehmen, der verrohrte Laibach könne zum Einfallstor für Nagetiere werden“, sagt Hartmut Lüker, der für den Umweltverband BUND gegen die Erweiterung kämpft.
Storck, Bürgermeister Tappe und eine breite Mehrheit im Stadtrat wollen den Laibach dorthin verlegen, wo heute der „Steini“ steht – und dazu müsse der Wald leider abgeholzt werden. Selbst die grüne Ratsfraktion präsentiert sich gespalten: Fünf von zehn Grünen stimmten am Mittwochabend einer Änderung des Flächennutzungsplans zu – schließlich ist Storck mit rund 3.200 Mitarbeiter:innen der größte Arbeitgeber vor Ort. Allerdings fordern die Grünen, den „Steini“ durch den noch zu beschließenden Bebauungsplan zu schützen.
„Wir können uns die Zerstörung eines gesunden Mischwalds einfach nicht mehr leisten“, hält Thomas Müller-Schwefe von Extinction Rebellion der politischen Mehrheit aus CDU, SPD und FDP entgegen. „Durch die Klimakatastrophe gehen hier in Ostwestfalen gerade riesige Fichtenbestände kaputt“, sagt der ehemalige Hausarzt: Der gesamte Gebirgskamm des Teutoburger Walds werde „langsam nackt.“ Die „Steini“-Besetzung soll deshalb bis mindestens Sonntagabend weitergehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin