■ Sicherungsverwahrung für Sexualstraftäter ist untauglich: Die Gesellschaft muß sich wehren
Die Debatte um die höhere Einstufung des sexuellen Mißbrauchs als Verbrechen macht nur Sinn, wenn der Tatbestand so umformuliert wird, daß er auch zwischen schweren und weniger traumatisierenden Formen angemessen unterscheidet. Es wird immer eine Gefangenengruppe geben, die als „gefährlich“ und nicht therapiefähig gilt. Sie sollten human verwahrt werden. Nur wie? Im Gespräch ist die Sicherungsverwahrung. Ich fürchte, sie eignet sich am wenigsten. In den meisten Bundesländern wird sie in einer Justizvollzugsanstalt vollstreckt. Rückfällige Sexualstraftäter werden dort mit klassischen Strafgefangenen in einer Gefangenensubkultur leben müssen, in deren Hierarchie stehen sie auf der untersten Stufe. Wir produzieren so hoffnungslose Fälle, ohne garantieren zu können, daß eine lebenslange Verwahrung rechtlich überhaupt umsetzbar ist.
Wieso diskutieren wir nicht eine Erweiterung der Voraussetzungen und eine Verbesserung des Maßregelvollzugs zum Beispiel in psychiatrischen Krankenanstalten? § 63 StGB verlangt hierfür „Schuldunfähigkeit“ oder „verminderte Schuldfähigkeit“. Dahinter stehen zwei nicht mehr zutreffende Vorstellungen. Die eine hält alle psychisch Gestörten und Gefährlichen für vermindert schuldfähig. Die andere meint, mit der Strafe, die bei vermindert Schuldfähigen neben der Maßregel vollstreckt wird, seien Sicherungsbedürfnisse der Allgemeinheit angemessen verwirklicht. Beide Annahmen sind überholt. Viele sexuelle Dominanztäter sind nicht klinisch krank, aber dennoch unter günstigen Bedingungen behandlungsfähig. Sie haben gelernt, daß sexuelles Dominanzverhalten ihre Frustration kurzfristig mindert, erfahren aber durch eine angemessen harte Strafverfolgung die negativen Folgen ihres Verhaltens. Sie sollten Therapieangebote erhalten, aber zugleich wissen, daß sich die Gesellschaft gegen ihre Lebensform wehren wird durch Strafe und Verwahrung. Die Gesetzgebung müßte die Voraussetzungen in § 63 StGB erweitern und den Maßregelvollzug zulassen, wenn jemand wegen einer Sexualstraftat verurteilt worden ist, also schuldfähig ist, aber aufgrund einer sorgfältigen Begutachtung als „gefährlich“ eingestuft werden muß. Die Psychiatrie möchte derzeit den Schwarzen Peter der Strafjustiz und diese ihn wieder zurückspielen. Aber im Falle dieser kleinen, aber gefährlichen Tätergruppe sollten wir einen politischen Konsens anstreben und keine Verschärfungsdebatte führen. Monika Frommel
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