: „Sicherlich treiben wir Grundlagenforschung ...“
■ Gorbatschow bestätigte in einem Exklusivinterview, daß auch die UdSSR Grundlagenforschung für ein Abwehrsystem im Weltraum betreibt: „Aber wir werden kein SDI–Programm entwickeln.“ / Eine poltitische Lösung für Afghanistan sei „sehr schnell“ zu erreichen
Washington (dpa/taz) - Die Sowjetunion betreibt „Grundlagenforschung“ für ein strategisches Abwehrsystem im Weltall, wird ein solches System aber nicht einsetzen. Das erklärte Kremlchef Michail Gorbatschow am Montag abend in einem Exklusivinterview der US–Fernsehanstalt NBC. Gorbatschow sagte, die UdSSR befasse sich praktisch mit allem, womit sich auch die Vereinigten Staaten von Amerika befassen. „Sicherlich befassen wir uns auch mit Forschungen, mit Grundlagenforschungen, die auch die Sei ten betreffen, die in Amerika von den SDI–Forschungen erfaßt werden. Aber wir werden kein SDI– Programm entwickeln und in Angriff nehmen und rufen Amerika auf, das gleiche zu tun.“ Eine Woche vor seinem dritten Gipfeltreffen mit Reagan erklärte Gorbatschow sich dazu bereit, einen START–Vertrag abzuschließen, wenn „der ABM–Vertrag (zur Begrenzung strategischer Defensivsysteme) strikt eingehalten wird.“ Die Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) der USA „ist kein Verhandlungsge genstand, soweit sie nicht dem ABM–Vertrag entgegensteht“. Die Sowjetunion sei auch bei den konventionellen Waffen zu „konstruktiven“ Verhandlungen bereit. Er räumte ein, daß es eine „gewisse Asymmetrie sowohl bei den Streitkräften als auch bei den Waffen gibt, und wir sind darauf vorbereitet, uns damit ohne Verzögerung auseinanderzusetzen. Wir haben unsere Vorschläge unterbreitet... und wir warten auf eine aktivere Antwort der NATO“. In dem einstündigen Interview äußerte Gorbatschow die Ansicht, daß es möglich sein werde, mit der Reagan–Regierung „eine Menge Arbeit zu erledigen“. Die Lage in Afghanistan erfordert nach den Worten des Kreml– Führers eine rasche Lösung. Wenn die amerikanische Regierung ernsthaft an einer politischen Lösung interessiert sei, „kann es sehr schnell geschehen“. Präsident Reagan hatte am Montag angekündigt, er wolle Gorbatschow auf dem Gipfel drängen, ein Datum für den Abzug der rund 110.000 sowjetischen Soldaten aus Afghanistan festzusetzen. Gorbatschow versprach, im „Geist der Menschlichkeit“ jeden Einzelfall von Personen zu überprüfen, die die Sowjetunion verlassen wollen, „aber im Rahmen unseres eigenen Rechts“. Eine Erpressung von außen werde Moskau niemals akzeptieren. Die Auswanderung sowjetischer Juden ist für die US–Regierung nach Angaben von Regierungsbeamten ein wichtiges Gipfelthema. Jüdische Organisationen haben für die Gipfelkonferenz Massendemonstrationen angekündigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen