Sicherheitsunternehmen vs. Corona: Public-private Ordnungsamt
Der Städte- und Gemeindebund will, dass Security-Firmen kontrollieren, ob die Coronaregeln eingehalten werden. Das stößt auf Kritik.
Kritik an dem Vorstoß äußern jetzt Verdi und Linke gegenüber der taz. „Die Vorstellung, dass private Firmen Aufgaben des öffentlichen Diensts übernehmen, ist äußerst fragwürdig“, sagt Martina Sönnichsen von Verdi. „Private Sicherheitsdienste können nicht einfach die Aufgaben von Kommunen übernehmen. Die sind hoheitlich.“ Sönnichsen weist darauf hin, dass Sicherheitskräfte nicht für die Tätigkeit im öffentlichen Dienst qualifiziert seien. Stattdessen müssten die Ordnungsämter gestärkt werden.
Auch Ulla Jelpke, innnenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, kritisiert Landsbergers Vorstoß. „Das geht gar nicht“, sagt sie. Neben der Übernahme hoheitlicher Aufgaben durch Privatunternehmen bestünden Zweifel an der Zuverlässigkeit vieler Sicherheitsleute. Stattdessen schlägt sie vor, die Polizei verstärkt einzubinden und sie dafür bei der Drogenkleinkriminaltität oder Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht zu entlasten.
In einigen Städten kamen private Sicherheitsfirmen schon während der ersten Coronawelle im Frühjahr zum Einsatz. Zweieinhalb Monate lang liefen Mitarbeiter:innen eines Sicherheitsdienstes über Straßen und Spielplätze im nordrhein-westfälischen Everswinkel, um zu kontrollieren, ob die Bevölkerung die Abstands- und Hygieneregeln einhält. „Die Gemeinde hatte einfach zu wenig Kapazitäten dafür“, sagt Martin Welzel, Leiter des Ordnungsamts.
Bloß „Präsenz zeigen“?
Wenn sie einen Verstoß gegen die Coronavorschriften beobachten, dürfen die Sicherheitsdienste nur in begrenztem Umfang eingreifen. Die rechtliche Lage verhindert, dass sie Sanktionen auferlegen können. Sie verfügen lediglich über die sogenannten Jedermannsrechte, die es nur unter bestimmten Umständen erlauben, Menschen festzunehmen. „In Everswinkel ging es vor allem darum, Präsenz zu zeigen“, sagt Ordnungsamtsleiter Welzel. „Denn wenn Verstöße festgestellt wurden, wurden entweder das Ordnungsamt oder die Polizei alarmiert.“
„Private Sicherheitskräfte können etwa auf die Maskenpflicht oder die Einhaltung der Hygiene-Vorschriften hinweisen“, sagt Harald Olschok vom Bundesverband für Sicherheitswirtschaft (BDSW). Er fordert deshalb eine Rechtsgrundlage mit erweiterten Befugnissen, etwa um selbst Bußgelder verhängen zu können.
Die Ausbildung für Mitarbeiter:innen in Sicherheitsdiensten ist rudimentär – 40 Stunden Schulung reichen aus, um die Grundlagen der Tätigkeit zu vermitteln. Damit die Mitarbeiter:innen fit für die Unterstützung der Ordnungsämter sind, fordert Olschok, dass die Kommunen Fortbildungen anbieten: „Es ist wichtig, mehr deeskalative und emotionale Strategien zu vermitteln“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus