Sicherheitskontrolleur auf dem Flughafen: Dildo oder Bombe?
Das Kontrollpersonal steht in der Kritik, weil ihm Passagiere durchschlüpften. Ein Luftsicherheitsassistent, der anonym bleiben will, berichtet.
Sommerzeit ist Reisezeit. Und wer das Flugzeug nimmt, muss an uns vorbei. Wir sind für die Sicherheit verantwortlich. Und deshalb stehen wir auch in den Schlagzeilen, wenn etwas schiefläuft, wenn Personen, wie in Frankfurt oder München, unkontrolliert durch die Sicherheitsschleuse gelangen und deshalb ganze Terminals geräumt und Flughäfen stundenlang lahmgelegt werden. Dabei wissen die Leute praktisch nichts von unserer Arbeit.
Ich bin seit über 10 Jahren als Luftsicherheitsassistent am Flughafen Düsseldorf und dort für die Fluggastkontrolle, also den Passagier und sein Reisegepäck, verantwortlich. Ich arbeite in der Frühschicht, 6 Tage in der Woche, 8 bis 9 Stunden am Tag. Morgen beginne ich beispielsweise um 3.30 Uhr, übermorgen um 5 Uhr.
Die Bundespolizei bestellt uns dann, wenn Fluggäste vor der Türe stehen, egal zu welcher Uhrzeit. Für diese Gäste müssen wir Verständnis aufbringen. Sie allerdings bringen uns keines entgegen. Die Gäste merken nicht, dass nicht nur sie, sondern auch wir früh aufgestanden sind.
Natürlich gibt es Ausnahmen. Aber das freundliche „Guten Morgen“ eines Fluggastes ist für uns eine Überraschung. Wir wissen selbstverständlich, dass es auch auf uns ankommt: So wie ich dem Fluggast begegne, so begegnet er mir. Am frühen Morgen freundlich zu sein, das muss man allerdings auch erst mal lernen.
Im Unterschied zu den Gegenständen, die wir durchleuchten, sind Menschen sehr viel unterschiedlicher. Und anstrengender.
Anstrengende Passagiere
Zu den schwierigsten gehören die C-Promis, die glauben, sich der Kontrolle entziehen zu können. Dann gibt es die Vielflieger, die geschäftlich unterwegs sind. Da gibt es solche, die ganz entspannt sind, weil sie die Abläufe kennen, und solche, die anstrengend sind, weil sie immer zur gleichen Zeit nach Berlin fliegen und erwarten, dass sie nicht mehr kontrolliert werden müssen. Zu den leichteren Gästen hingegen zählen, für manche vielleicht überraschend, Familien mit Kindern: Die Eltern sind froh und dankbar, wenn sie die Hürde Sicherheitskontrolle mit unserer Hilfe hinter sich bringen.
Überraschungen erleben wir bei der Gepäckkontrolle allerdings ständig: Fluggäste haben alles Mögliche in ihrem Gepäck, von Schlagbohrmaschinen bis Schusswaffen. An ein „Gepäck“ kann ich mich allerdings nicht gewöhnen, obwohl wir es alle paar Wochen haben: eine Urne. Viele Bewohner des Ruhrgebiets haben Wurzeln im Ausland und transportieren die Überreste der Angehörigen dorthin. Wir durchleuchten die Urne bloß und achten auf Diskretion.
Manchmal aber müssen wir in die Intimsphäre der Fluggäste eingreifen. Wenn einer beispielsweise sein persönliches Sexspielzeug dabeihat und ich es aus der Tasche hole. Es gibt die total coolen Gäste, die dann sagen: „Pass auf, das ist ein Dildo.“ Andere wiederum bekommen einen hochroten Kopf.
Auch wir bekommen oft einen heißen Kopf. Vor allem bei der Monitorauswertung. Sie fordert extrem hohe Konzentration. Deshalb wechseln wir uns auch alle 20 Minuten ab. Bei der Personenkontrolle hingegen stehen wir im schlimmsten Fall dreieinhalb Stunden auf einer Stelle. Die Sicherheitsfirma hat zwar neues Personal eingestellt, doch bei hohem Fluggastaufkommen reicht das immer noch nicht. Der letzte Sommer am Flughafen Düsseldorf war der Horror. Es fehlte Sicherheitspersonal. Der Krankenstand lag bei 20 Prozent. Die Bundespolizisten mussten einschreiten, als sich Passagiere wegen bis zu 100 Meter langer Schlangen an den Sicherheitskontrollen laut beschwerten und viele ihren Flug verpassten.
Es fühlte sich an, als würden wir in einem Fußballstadion gegen 80.000 Menschen anreden: Wir machten die Kontrollspur auf und schauten auf eine endlose Wand aus Menschen. Dabei sind solche Massenaufläufe gar nicht so selten. Anders als bei den Verkäufern in Warenhäusern gibt es bei uns nicht nur eine Weihnachtssaison. Wir haben nicht vier Wochen Stress, wir haben 365 Tage im Jahr Stress.
Im September beispielsweise fliegen alle Personen ohne schulpflichtige Kinder. Da haben wir dann angetrunkene Fußball- und Kegelclubs, Leute übergeben sich vor der Kontrollstrecke. Manche bemerken nicht einmal, dass sie in der Sicherheitskontrolle sind. Bei einem solchen Verhalten können wir Passagiere von der Kontrollstrecke verweisen. Dann entscheidet die Bundespolizei über den weiteren Weg.
Leicht bekleidet
So nervig die vielen Sommerpassagiere auch sind, der Sommer hat einen Vorteil: Es dauert weniger lang, die Fluggäste zu kontrollieren, weil sie nicht so viel anhaben, was sie ausziehen müssen.
Übrigens kontrollieren wir nicht nur, sondern werden auch ständig kontrolliert. Hin und wieder deponiert die Bundespolizei einen unerlaubten Gegenstand in der Kleidung oder im Gepäck einer Person. Wer den übersieht, muss zur Nachschulung. Soweit ich weiß, wurde ich zwei Mal von der Bundespolizei getestet und hab beides Mal bestanden.
Ich mag an meinem Job, dass ich so vielen verschiedenen Menschen begegne. Auch bin ich ein kommunikativer und ruhiger Typ, es ist sehr schwierig, mich zu ärgern. Vor Kurzem sagte mir ein Fluggast: „Ich fliege seit 13 Jahren, und so einen netten Kontrolleur habe ich noch nie erlebt!“ Und trotzdem spüre ich den Wunsch nach beruflicher Veränderung. Ich habe nur alle zwei Monate ein richtiges Wochenende. Meine Familie hat dafür zwar Verständnis, aber der Freundeskreis wird immer kleiner und die Zeit, die ich mit dem eigenen Kind verbringen kann, auch.
Aber mal eben aufhören ist nicht so einfach. Als Sicherheitsmitarbeiter verdient man kein schlechtes Geld. Und trotzdem hoffen wir natürlich auf bessere Rahmenbedingungen. Denn bei dem, was ich hier skizziert habe, wird jedem klar geworden sein, dass es so nicht weitergeht. Ich wünsche mir außerdem, dass die Bundespolizei den von ihr eingesetzten Mitarbeitern mehr Rückendeckung gewährleistet. Immerhin sind wir es, die die Sicherheit für alle gewährleisten.
Protokolliert von Luisa Willmann
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