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Shorttrack bei OlympiaScharfes Eisrodeo

Deutschland gilt im Shorttrack als echte Diaspora. Trotzdem will Tyson Heung am Sonnabend um eine Medaille kämpfen. Der Deutsch-Kanadier setzt auf die Chance des Außenseiters.

Tyson Heung (li.) mit Bundestrainer Eric Bedard. Bild: dpa

VANCOUVER taz | Es wird auch diesen Samstag wieder ein famose Party geben im Pacifik Coliseum von Vancouver, und Tyson Heung hat sich ganz fest vorgenommen, sie auszukosten bis zum allerletzten. Um an dieser Party teilnehmen zu dürfen, hat er schließlich einen weiten Weg auf sich genommen, einen genau doppelt so langen wie alle anderen deutschen Athleten, die bei diesen Olympischen Spielen teilnehmen.

Tyson Heung, 30 Jahre alt, ist schließlich Kanadier, aber weil er sich einen Kindheitstraum erfüllen wollte, den Start bei Olympischen Spielen nämlich, hat er sich vor sieben Jahren daran erinnert, dass er auch deutsche Wurzeln hat, seine Mutter stammt aus Würzburg. Der Rest ist ziemlich schnell erzählt und klingt logisch: Weil Heung von seiner Jugend an zwar ein guter Shorttracker ist, aber doch nicht ganz gut genug, um es in die kanadische Olympiaauswahl zu schaffen, hat er zu seiner kanadischen auch noch die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. So hat sich sein Kindheitstraum erfüllt, schon bei den Spielen in Turin war er für Deutschland dabei.

Um das so ganz verstehen zu können, muss man wissen, dass Shorttrack in Kanada eine ziemlich große Nummer ist, so wie fast alle Sportarten, die man auf gefrorenem Wasser ausüben kann. "Shorttrack ist in Kanada das, was Biathlon in Deutschland ist", sagt Eric Bedard. Der Bundestrainer, erst 33 Jahre alt, weiß ziemlich genau, von was er da spricht. Bedard hat selbst zwei olympische Goldmedaillen sowie acht bei Weltmeisterschaften gewonnen - und zwar für Kanada. Erst vor gut anderthalb Jahren hat er seinen Job in Deutschland angenommen, mitten in einer Shorttrack-Diaspora.

Seitdem hat er beinahe täglich mit den deutschen Läuferinnen und Läuferinnen auf diese Spiele in Vancouver hingearbeitet, ein richtiges kleines Shorttrack-Leistungszentrum ist unter ihm in Dresden entstanden. Zwei Bahnen stehen Bedard und seinen Eleven, zu denen auch Tyson Heung zählt, zu Verfügung, auch an allem anderen mangelt es nicht. "Es ist einer der besten Trainingskomplexe der Welt", schwärmt der Bundestrainer, aber wahrscheinlich ist das auch nötig, um das ehrgeizige Ziel zu verfolgen, das Bedard für sich und seine Sportler gesetzt hat: In Vancouver sollen erstmals deutsche Shorttracker ins Finale der besten Vier einziehen. Dass das durchaus einer kleinen Sensation gleich käme, darauf weisen die Ergebnisse der letzten WM hin. Nicht ein Europäer gewann da eine Medaille.

Irgendwie ist dieser Sport noch nicht angekommen in Europa. Irgendwie hat man da eine Entwicklung verschlafen, nicht nur in Deutschland. Dabei ist Shorttrack an Spannung und Spektakel kaum zu überbieten, nur auf den ersten flüchtigen Blick jedenfalls hat es etwas mit dem Eisschnelllauf zu tun. Auf den zweiten Blick gar nichts, kein Stück.

Denn zum einen sind die Kurven der 111 Meter langen Bahn deutlich enger. Zum anderen wird nicht jedem Läufer eine eigene Bahn zugeteilt, sondern alle vier Läufer pro Rennen starten in einer. Das führt, vor allem vor und in den Kurven zu einem ständigen Gedrängel und Geschubse, Körperkontakt inklusive, weil jeder den optimalen Weg sucht mit dem möglichst engsten Radius, das alles bei Tempo 50 und auf rasiermesserscharfen Kufen.

Tyson Heung frönt diesem Rodeo auf Eis schon seit frühester Jugend, diesen Samstag nun will er im 1000-m-Rennen den Höhepunkt seiner Shorttrackkarriere erleben. Erst steht das Viertelfinale an, dann das Halbfinale, schließlich das Finale, der Kampf der besten Vier. Heung weiß, dass er nur Außenseiterchancen hat, um überhaupt so weit zu kommen, aber davon lässt er sich nicht den Mut rauben. "Ich bin sehr optimistisch. Meine Beine gehen sehr gut", sagt der 30-Jährige stattdessen.

Und überhaupt: Im Shorttrack ist fast immer fast alles möglich, der Australier Steven Bradbury steht dafür als Denkmal. Bei den Spielen in Salt Lake City passierte es, dass erst im Halbfinale alle Konkurrenten des hinterherlaufenden Australiers zu Fall kamen, im Finale wiederholte sich das Szenario prompt nocheinmal - und Bradbury wurde nicht nur tatsächlich Olympiasieger, sondern schaffte es sogar in den australischen Duden - als Synonym für Dusel.

Auf solchen will sich Tyson Heung am heutigen Samstag lieber nicht verlassen. Wie gesagt: Er hat gute Beine. Und vielleicht beflügelt es ihn zusätzlich, dass dieses Olympische Rennen in seinem Heimatland das letzte sein wird in seiner langen Shorttrack-Karriere, in der nun ja auch zwei Olympiateilnahmen verewigt sind.

Danach will der studierte Lehrer für Mathematik und Physik für immer nach Kanada zurückkehren, seine Freundin lebt schließlich hier. "In Kanada hat für mich im Sport alles begonnen, nun endet alles hier. So schließt sich der Kreis", sagt Tyson Heung. Er will nicht wehmütig werden. Er will die letzte Partie richtig genießen.

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1 Kommentar

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  • D
    derleien

    Ja, interessant und überraschend für mich olympiaschauenden Sportlaien war, dass die am spektakulärsten fotografierbaren Sportarten nicht unter den Klassikern zu finden sind.

     

    Half-pipe und Shorttrack (mehr noch als der herkömmliche Longtrack-Eisschnelllauf) projizieren mit Abstand die meiste Energie auf den Fernsehschirm.