Shoppingmeile wird Fußgängerzone: Versuch’s mal ohne Pkw
Die autofreie Friedrichstraße startet wohl am 17. August. Der Bezirk Mitte erwartet kein erhöhtes Verkehrsaufkommen in den umliegenden Straßen.
Eine offizielle Bestätigung für den Startschuss gibt es noch nicht: Der Bezirk Mitte und die Senatsverkehrsverwaltung wollen im Laufe der kommenden Woche über den genauen Termin informieren. Dem Vernehmen nach ist aber das Ausschreibungsverfahren abgeschlossen, mit dem der Senat einen Dienstleister für die temporäre Umgestaltung gesucht hat.
Schon seit einigen Wochen ist bekannt, dass die autofreie Friedrichstraße bis Ende Januar Bestand haben soll. Pkws sind dann auf dem gesperrten Abschnitt tabu, RadfahrerInnen dagegen dürfen über eine vier Meter breite “Safety Lane“ rollen, auch Einsatzfahrzeuge aller Art können in die Sonderzone hinein. Die Belieferung der Geschäfte auf der Friedrichstraße, aber auch die Erreichbarkeit mit dem Auto wird durch Ladezonen in den Nebenstraßen und die umliegenden Parkhäuser sichergestellt.
Viel ändern wird sich dadurch also nicht: Anlieferung und KundInnen-Parken finden schon jetzt „überwiegend“ in den Seitenstraßen statt, teilt das Bezirksamt Mitte mit. Die Veränderung spüren werden dagegen die Paketlieferdienste, die jetzt noch weitgehend illegal auf der Friedrichstraße parken. „Für sie wird alles besser“, sagt Stefan Lehmkühler vom Verein Changing Cities, der die Sperrung zusammen mit anderen Gruppen seit Jahren propagiert. Denn: „Die neuen Ladezonen werden kontrolliert, Falschparker werden abgeschleppt.“
Während der autofreien Zeit, die ursprünglich von Juni bis November dauern sollte, dürfte die wenig geliebte Friedrichstraße deutlich mehr Aufenthaltsqualität bekommen. Gewebetreibende sollen ihre Waren in „gläsernen Showcases“ präsentieren, es wird Sitzgelegenheiten mit und ohne gastronomische Angebote geben, Märkte und Veranstaltungen sind geplant. Eine „Allee“ von 65 Bäumen in Pflanzkübeln soll die Straßenschlucht optisch und ökologisch aufwerten. All das wird vom Bezirk Mitte finanziert.
Und wie geht es weiter?
Um festzustellen, wie sich die Verkehrsströme entwickeln, wird der Versuch wissenschaftlich begleitet. Im Bezirksamt geht man auf taz-Anfrage davon aus, dass es „nicht zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen in den umliegenden Straßen kommen wird“. Das wäre erstaunlich: Selbst wenn ein Teil des heutigen Pkw-Verkehrs auf der Friedrichstraße ganz ausbleibt, etwa weil Menschen großräumige Umfahrungen suchen, ist unwahrscheinlich, dass diese FahrerInnen die Gegend komplett meiden werden.
Wie es nach Januar weitergeht, wird auch von der Auswertung des Versuchs abhängen. Ob die AktivistInnen auf eine Verlängerung hoffen? „Nein“, sagt Stefan Lehmkühler, „wir erwarten das sogar!“ Für einen Verkehrsversuch seien sechs Monate zu kurz, und außerdem: „Es kann doch nicht sein, dass das einzige große Fußverkehrsprojekt der Senatsverwaltung pünktlich zum Wahlkampf beendet wird.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance