Sexuelle Übergriffe im Sport: Boxerinnen schlagen zurück
Unter #CoachDontTouchMe formiert sich eine Kampagne gegen sexuelle Gewalt im Frauenboxen. Anlass ist die Ignoranz des Verbands in einem Fall.
Ihr Drecksfeministen seid Krebsgeschwür!“ Solche Nachrichten erhält die Boxerin Sarah Alexandra Scheurich momentan zuhauf. Auf ihrem Instagram- und Facebook-Profil wirbt die 24 Jahre alte Amateurboxerin vom BC Traktor Schwerin, 2014 Europameisterin im Mittelgewicht, für die Kampagne ihrer Boxkollegin Joelle Seydou, die die Idee dazu hatte: #CoachDontTouchMe.
Unter diesem Hashtag setzen sich die beiden gegen sexualisierte Gewalt im Sport ein. Ihre Kampagne soll dem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken und den Opfern Mut machen, sich zu öffnen, darüber zu reden und gegen Täter vorzugehen.
Denn der im Sommer 2017 bekanntgewordene Fall der einer Hamburger Boxerin, die zwei Jahre lang sexuelle Gewalt durch ihren Trainer erlitten hat, ist keineswegs ein Einzelfall. Laut einer Studie der Deutschen Sporthochschule in Köln, bei der 1.800 Kaderathleten, männlich und weiblich, befragt wurden, gab ein Drittel der befragten Athleten und Athletinnen an, bereits sexuelle Übergriffe durch Trainer erlebt zu haben.
„Wir wollen uns gemeinsam stark machen für Sportler, die auch so etwas erleiden mussten“, sagt Scheurich, die auch Athletensprecherin des Boxverbands ist. „Wir wollen Ansprechpartner und Anlaufstellen schaffen, an die sich Betroffene wenden können, denn das Thema ist sportübergreifend.“
Viele Boxerinnen wie die amtierende Weltergewichts-Europameisterin Nadine Apetz oder die Vizeeuropameisterin im Bantamgewicht Ornella Wahner haben sich der #CoachDontTouchMe-Kampagne angeschlossen. Auch Prominente, wie die amtierende Fliegengewichts-Weltmeisterin des Profiverbands WIBF, Susianna „Susi“ Kentikian, sind dabei. Auf ihrer Facebook-Seite schreibt Kentikian. „Es gibt leider nicht nur in der Filmbranche Missbrauch, sondern auch im Sport, an Sportlerinnen und Sportlern durch Trainer. Das ist ein absolutes No-go!“
Überwältigende Resonanz
Sarah Scheurich ist überwältigt von der Resonanz, die #CoachDontTouchMe so schnell erhalten hat. „Es ist unglaublich. Ich finde es einfach nur krass. Tausend Dank“, schreibt die Boxerin auf Instagram. Scheurich selbst, wie auch Kentikian, sagt, dass sie bisher keine sexuellen Übergriffe erleiden musste, aber Scheurich kennt die betroffene Hamburger Boxerin sehr gut. „Sie ist eine gute Freundin von mir. Als ich davon durch das Video von ‚NDR Panorama‘ erfuhr, war mir klar: Wir müssen was machen“, erzählt Scheurich. „Joelle kontaktierte mich kurz darauf und erzählte mir von ihrer Idee.“
Gerade über den Hamburger Boxverband, dem sie „Wischiwaschi-Gerede“ vorwerfen, haben sie sich geärgert, erzählt Scheurich: „Nichts passierte.“ Die Sportlerin sei damit einfach allein gelassen. worden. „Es ist klar und nur verständlich, dass durch solche Fälle der Spaß am Sport verloren geht.“
Als Scheurich den Verband kritisierte, hörte sie, sie solle das Ganze nicht so öffentlich machen
Scheurich und Seydou wünschen sich mehr Transparenz in solchen Fällen und klare Richtlinien im Verband, wie damit umzugehen ist. Der im Fall der Hamburger Sportlerin 2017 angegriffene Trainer sei bereits vom Hamburger Boxverband wieder als Coach eingesetzt worden, eine Suspendierung schon nach kurzer Zeit aufgehoben worden; schließlich sei das Verfahren eingestellt worden.
Scheurich erzählt, dass sie den Boxverband deswegen direkt angesprochen hat. Zur Antwort habe sie nur erhalten, dass man auch dem Trainer die Unschuldsvermutung zugestehen und deswegen das Ganze nicht so öffentlich machen sollte, berichtet sie. #CoachDontTouchMe soll das ändern.