Sexuelle Belästigung in US-Medien: Kurzer Prozess im Sendebetrieb
Der Fall Weinstein hat sensibilisiert: Auch im US-Radio und -Fernsehen müssen Stars gehen, die sexuell übergriffig gewesen sein sollen.
Bei Matt Lauer (59), der jahrzehntelang ein Millionenpublikum im Fernsehsender NBC in den Tag führte, vergingen nur 36 Stunden zwischen der Beschwerde einer Kollegin, die am Montagabend mit einem Anwalt zur Personalabteilung ging, und seiner fristlosen Entlassung wegen „unangemessenen sexuellen Benehmens am Arbeitsplatz“. Vermutlich sei es keine isolierte Handlung gewesen, sagte NBC-Chef Andy Lack.
Bei Gerrison Keillor (75) hingegen, einem Spezialisten für skurrile Geschichten, die auf vielen Sendern des National Public Radio laufen, nahm sich das öffentliche Radio ein paar Wochen Zeit. Ein externes Anwaltsbüro wurde mit der Prüfung der Vorwürfe einer Frau beauftragt, bevor die Zusammenarbeit endete. Noch am letzten Tag vor seiner Entlassung hatte Keillor in einem Meinungsartikel für die Washington Post geschrieben, es sei eine „Absurdität“, den Rücktritt des demokratischen Senators Al Franken zu verlangen. Mehrere Frauen werfen dem Senator sexuelle Übergriffe vor.
Lauer und Keillor sind die jüngsten Beispiele für den neuen radikalen Umgang von US-Medien mit sexuellem Fehlverhalten in ihren Reihen. Noch bis vor wenigen Monaten wurden solche Vorwürfe entweder nicht bekannt oder es floss Geld, um Schweigen zu erkaufen. Der rechte Sender Fox zahlte Millionen Dollar, um Frauen, die sich über sexuelle Belästigung durch Stars des Senders beschwerten, daran zu hindern, an die Öffentlichkeit zu gehen.
Weinstein und die Folgen
Doch der Fall des Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein im Oktober hat vieles geändert. Damals zeigten eine halbe Million Tweets binnen 24 Stunden und die Wiederbelebung des Hashtags #Metoo, dass die USA reif für das Thema waren. Seither kommen beinahe täglich neue Berichte über sexuelle Übergriffe und Belästigungen in die Medien.
Und nicht nur Hollywood, sondern auch die Medien selbst machen nun kurzen Prozess mit den Übeltätern. Dabei sind schon mehrere journalistische Stars abgestürzt. Unter anderem wurden die beiden prominenten Fernsehjournalisten Mark Halperin (MSNBC) und Charlie Rose (CBS und PBS) fristlos entlassen, als bekannt wurde, dass sie jahrelang Frauen sexuell belästigt haben sollen. Die New York Times hat Glenn Thrush, einen ihrer Korrespondenten im Weißen Haus, aus demselben Grund vom Dienst suspendiert.
Moderator Lauer ist der bislang prominenteste gefallene Medienstar. Er war eines der bekanntesten TV-Gesichter, mit 25 Millionen Dollar im Jahr einer der bestbezahlten Journalisten des Landes und seine Sendung „Today“ war mit hohen Werbeeinnahmen die Cash-Cow des Senders. Lauer hat Filmstars interviewt, von den Olympischen Spielen berichtet und eine Fernsehdebatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump moderiert.
Alles wackelt, nur Trump nicht
Schon jetzt ist klar, dass die Frau, die sich über seine sexuellen Angriffe beschwert hat, nicht allein ist. Die Zeitschrift Variety hat recherchiert, dass er weitere Kolleginnen sexuell belästigt haben soll. Der Radio-Humorist und Geschichtenerzähler Keillor hat ein anderes, viel urbaneres und politisch eher links stehendes Publikum mit seinem legendären Programm „A Prairie Home Companion“ bedient, dessen Name jetzt geändert werden soll.
Lauer hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert. Keillor hingegen bestreitet, dass er Fehler gemacht hat, die seine Entlassung rechtfertigen. Er habe der Kollegin an den Rücken gefasst, um sie zu trösten, habe sich jedoch später bei ihr entschuldigt. „Wir waren Freunde“, sagte er in einer ersten Reaktion, „bis ihr Anwalt anrief.“
Im Vergleich zur Filmindustrie und den Medien ist der politische Betrieb in Washington immer noch ein sicherer Platz für Männer, die sexuell belästigen. Trump wurde zum Präsidenten gewählt, obwohl er geprahlt hatte, Frauen zu begrabschen und obwohl 16 Frauen mit Details über sein sexuelles Fehlverhalten an die Öffentlichkeit gegangen waren. Aus dem Weißen Haus unterstützt er gegenwärtig einen republikanischen Kandidaten für Nachwahlen zum Senat in Alabama, gegen den Pädophilie-Vorwürfe erhoben werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu