Sexualität bei Emojis: Obstsalat statt Klartext
Der Auberginen-Emoji steht für den Phallus, für die Vulva gibt es keinen. Die Venus kritisiert fehlende Sichtbarkeit für die weibliche Lust.
Denn während sich in der internationalen Emoji-Sprache die Aubergine als Phallus- und männliches Lustsymbol durchgesetzt hat, gibt es für die Klitoris, das zentrale Lustorgan der Frau, nichts Vergleichbares. Manchmal werden Lotusblüten-Emojis verwendet, um die weibliche Sexualität darzustellen – frisch duftend, natürlich und unberührt. Durchgesetzt hat sich die Blüte jedoch nicht.
Die Venus, die größte internationale Fachmesse der Pornoindustrie, kritisiert das: „Das fehlende Vulva-Emoji steht sinnbildlich für die gesellschaftliche Unsichtbarkeit weiblicher Sexualität.“ Im Vorfeld der diesjährigen Messe in Berlin Ende September fordert die Venus daher das Unicode-Konsortium, das den internationalen Standard für Zeichencodierung setzt, auf, der Vulva endlich ein Symbol zu geben. Dazu hat die Messe die Kampagne #VulvaEmojiNow gestartet und ruft User*innen, Künstler*innen, Creators und Medien auf, den Vorschlag weiterzuentwickeln.
Wenn nach einem Symbol für eine Vulva gesucht wird, greifen weltweit Grafiker*innen auf halbierte Grapefruits oder geöffnete Papayas zurück. Ein passendes Emoji fehlt bisher. Das möchte die Venus ändern und schlägt eine „stilisierte Fruchthälfte“ vor, inspiriert von der Vulva – „verspielt, ästhetisch, eindeutig“.
Verniedlichung statt Klartext
Und genau da liegt das Problem der PR-Masche. Denn Sichtbarkeit ist nicht per se Fortschritt – vor allem nicht, wenn sie auf alten sexistischen Bildern fußt. Die süße Frucht: soft, saftig, zum Reinbeißen! Die Messe, die ohnehin in der Kritik steht, geschlechtsspezifische Diskriminierung zu verharmlosen, indem lediglich die weibliche Sexualität kommerzialisiert wird, fügt sich mit ihrem Vorschlag nahtlos in eine Reihe sexistischer Fruchtvergleiche, die Frauen verniedlichen und sexualisieren.
Erdbeerwoche, Orangenhaut, Birnenpo, Apfelarsch, Apfelkörper: Die Bildsprache boomt nur so vor Fruchtvergleichen, um den weiblichen Körper meist abzuwerten und hin und wieder zu komplimentieren – aber immer: ihn zu sexualisieren. Für Männerkörper hingegen gibt es kaum Obstvergleiche.
Der Vorschlag der Venus folgt mit seinem „verspielten“ Ansatz zudem der altbekannten Logik: Verniedlichen statt Klartext. Ganz wie damals in der Schule, als man mit „Erdbeerwoche“ euphemistisch umschrieb, dass man in einer Blutlache sitzt und es sich anfühlt, als würde einem die Gebärmutter zerfetzt werden. Stattdessen: süße, kleine, leckere Erdbeerchen.
Wir verstecken uns hinter Obst und Gemüse, statt offen über Sex, Körper und Lust zu sprechen. Es wird rumgeeiert mit Brokkoli und Avocados, Maiskolben, Auberginen und Bananen, wie beschämte Schulkinder, gefangen in einer kollektiven Pubertät. Zweifelsohne lauert in den sozialen Medien die Gefahr von jugendgefährdenden sexuellen Inhalten – daher braucht es eine schärfere Regulatorik – aber es braucht auch Räume für Lust und Selbstbestimmung und Räume, die nicht alles Erotische als Gefahr begreifen.
Also Titten auf’n Tisch! Vulva-Emoji für die Vulva. Penis-Emoji für den Penis. Oder schafft diese Scheiß-Emojis ganz ab.
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