Sexismus unter Polizeianwärtern: Jetzt wird doch diszipliniert
Die Piraten haben aufgedeckt, dass Polizeianwärter in Schleswig-Holstein Frauen sexuell beleidigten und Migranten beschimpften. Nun wird ihre Eignung geprüft.
Wie viele Nachwuchspolizisten von Disziplinarverfahren betroffen sind, wollten Studt und Staatssekretärin Manuela Söller-Winkler im öffentlichen Teil der Sitzung nicht sagen. Beamte wollen nun auch die charakterliche Eignung der Betroffenen für den Polizeidienst prüfen.
Im Mai waren Vorwürfe bekannt geworden, dass Anwärterinnen mit Worten und Gesten sexuell beleidigt und Anwärter mit Migrationshintergrund als „Kanacke“ oder „Kümmeltürke“ bezeichnet worden sein sollen.
Das Innenministerium berichtete damals, die Vorwürfe seien eingehend überprüft, die betroffenen Polizeianwärterinnen befragt worden. Belastbare Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen hätten sich nicht ergeben. Deshalb sei kein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Die Verfahrensunterlagen wurden aus Datenschutzgründen vernichtet. Auch die Staatsanwaltschaft Lübeck hatte ein Verfahren eingestellt.
In der zweiten Maihälfte brachte ein dem Ministerium „anonym übersandtes Papierkonvolut“ jedoch neuen Schwung in die Sache. Es bestand aus Vernehmungsprotokollen sowie Ausdrucken elektronischer Kommunikation. Bei Prüfungen seien „hinreichende Anhaltspunkte“ gefunden worden, dass Vorwürfe berechtigt sein könnten, sagte Söller-Winkler. Die Echtheit und Vollständigkeit der Dokumente, deren Übersendung an den Minister wurde aber noch nicht überprüft.
Vertuschung im Innenministerium?
Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer hatte nach eigenen Angaben dafür gesorgt, dass die Unterlagen erneut ins Ministerium gelangen. Er sprach angesichts der Diziplinarverfahren von einem „guten Tag für die Landespolizei“, kritisierte jedoch das Innenministerium scharf. „Man kann von Vertuschung sprechen“, sagte Breyer. Jetzt sei aufgrund des Drucks eine andere Entscheidung gefallen als bei der ersten Prüfung der Vorwürfe.
Studt wies die Behauptungen strikt zurück. „Diese Landespolizei hat es überhaupt gar nicht nötig, irgendetwas zu vertuschen“, sagte er nach der Sitzung und fügte hinzu: „Ich bin ganz dezidiert gegen rassistische, gegen sexistische, gegen fremdenfeindliche Einstellungen in der Landespolizei und in der Landesverwaltung.“
Korrektur 30.06.: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass es sich hierbai um Polizeianwärter in Niedersachsen handelte. Tatsächlich geht es um Polizeianwärter in Schleswig-Holstein. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt