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Serienkolumne Die CouchreporterDie Toten wieder vor der Türe

Andreas Hergeth
Kolumne
von Andreas Hergeth

In „The Returned“ leben Verstorbene in einem Bergdorf weiter. Was macht das Leben aus, wenn es nicht mehr durch den Tod definiert ist?

Yara Pilartz (Foto) spielt in „The Returned“ Camille Séguret, die bei einem Busunglück starb Foto: dpa

I n einem französischen Bergdorf kehren Tote in ihr altes Zuhause zurück. Erst ein junges Mädchen, das mit vielen anderen bei einem Schulausflug ums Leben kam. Dann auch ältere Männer und Frauen. Und ein kleiner Junge. Sie alle können sich nur an die Zeit vor ihrem Tod erinnern, nicht ans Sterben. Der Begriff vom „mitten aus dem Leben gerissen“ bekommt hier eine sinnfällige Bedeutung. Sie wissen nicht, dass sie tot waren und vielleicht immer noch sind.

Die Wiedergänger aus der französischen Fernsehrserie „The Returned“ versuchen, nahtlos ans alte Leben anzuknüpfen. Doch das ist schwierig. Die Hinterbliebenen, ja weiter gealtert, sind vor allen ungläubig, erschrocken und voller Angst. Sind sie selbst etwa verrückt geworden? Sind die Wiedergänger Engel? Oder irgendwelche Sendboten des Teufels? Wird etwas Schlimmes passieren?

Es gibt starke Szenen: Ein alter Mann wird von seiner in jungen Jahren gestorbenen Frau heimgesucht – so muss man es nennen. Er kommt damit nicht klar und springt von einer Stauseemauer in die Tiefe. Andere freuen sich erst über die wie Lazarus (man muss an den Song von David Bowie denken) auferstandene Tochter. Doch was macht das Leben aus, wenn es nicht mehr durch den Tod definiert ist?

Die Wiedergänger haben immer Hunger, können nicht schlafen, benehmen sich mitunter seltsam. Also am besten erst mal alles verheimlichen. Sie sind einfach zu unheimlich für Nichteingeweihte. Doch es werden immer mehr Verstorbene, die lebend wieder auftauchen.

Mogwai macht die Musik

Scheinbar alle Zurückgekehrten kamen gewaltsam, durch Unfall, Mord oder Suizid ums Leben. Das ist immerhin schon mal eine Spur; es könnte um eine offene Rechnung, um Schuld und Sühne gehen. Ansonsten bleibt es bis zum Ende mysteriös, der Spannungsbogen wird auf hohem Niveau gehalten. Eine atmosphärisch dichte Serie voller surrealer Bilder, wendungsreicher Dramatik, voller Emotionen und Wucht. Großen Anteil daran hat die kongeniale Musik der schottischen Band Mogwai.

Am merkwürdigsten aber benimmt sich der kleine Junge, der kaum spricht, dafür aber mit wissenden Augen zum Herzerbarmen dreinschaut, wie einer mit einer ganz alten Seele. Er lässt sich einfach Victor nennen und scheint Vorahnungen zu haben – welche der schlechten Sorte. Und so kommt es bei „The Returned“ ganz dicke. Passend sinkt und sinkt der Wasserspiegel des Stausees, als wolle das zurückweichende Wasser ein Geheimnis offen legen. Ein alter Kirchturm taucht in den Fluten auf.

Die zweite Staffel gibt's bei Netflix

„The Returned“ verhandelt menschliche Themen. Es geht hier nicht vordergründig um Mysterie, schon gar nicht um Zombies und Horror (okay, den alltäglichen schon), sondern um Liebe und Leiden, Verantwortung und Vergebung, um niedere Instinkte wie Hass und auch darum, wie Hinterbliebene mit dem Verlust eines lieben Menschen umgehen.

Das war weltweit sehr erfolgreich, die erste Staffel wurde mit einem Emmy ausgezeichnet. Die zweite, mit der die Serie ein Ende fand, ist nun bei Netflix freigeschaltet, sodass man alle 16 Folgen in einem Rutsch sehen kann. Am besten gleich zweimal hintereinander, damit man wirklich alles versteht.

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Andreas Hergeth
Redakteur & CvD taz.Berlin
In der DDR geboren, in Westmecklenburg aufgewachsen, Stahlschiffbauer (weil Familientradition) gelernt, 1992 nach Berlin gezogen, dort und in London Kulturwissenschaften studiert, 1995 erster Text für die taz, seit 2014 im Lokalteil Berlin als Chef vom Dienst und Redakteur für Kulturpolitik & Queeres.
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