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Serienkolumne Die CouchreporterKein prüder Junge in Skiunterwäsche

Ein schwer traumatisierter schüchterner Held mit Brille und Augenzucken: „Luke Cage“ macht das SuperheldInnen-Genre sexier.

Sich über Superhelden lustig zu machen, ist nicht einfach – aber möglich Foto: photocase/spacejunkie

Was ist eigentlich mit Luke Cage, Netflix’ neuester Marvel-Adaption, schwarzer „Power Man“ mit (zumindest im Comic) Glatze und bedenklichem Hang zum YMCA-Modestil?

Wer aufgepasst hat bei „Jessica Jones“, der wohl ungewöhnlichsten Heldin in der Marvel-Attacke auf die Erwachsenenserienwelt, konnte ihn bereits in der ersten Staffel ausmachen:

Hinterm Tresen einer Bar (die später in die Luft fliegt) und im Bett von Jessica, was endlich mal ein bisschen Sex in die trotz Muskeln und hautengen Anzügen traditionell körperlose Comic-SuperheldInnenwelt brachte, und das – vorbildlich! – auch noch „interracial“. Was wundervoll ist.

Denn das Schmachten von Superman nach Lois Lane, von Batman nach Vicki Vale, vom pubertären Spiderman nach einem Kuss von Gwen Stacy wurde nie erfüllt, die Catsuits blieben gleich einer unsexy Skiunterwäsche – im Falle von Superman sogar unter dem Bürooutfit – stets an.

Mut zur Wonne

Es waren halt kleine Jungs in einer prüden Umgebung, die sich das Ganze einst für kleine Jungs in einer prüden Umgebung ausgedacht haben.

Der „Hays Code“ für akzeptable Darstellung galt zwar nur für Filme, aber seine Abschaffung 1967 fällt nicht zufällig mit der ersten sexy Comicadaption zusammen: Roger Vadims Verfilmung von Barbarella, deren Mut zur Wonne nicht mal von der beneidenswerten Lustorgel gezähmt werden konnte. Und die als Comic im Herkunftsland Frankreich wenige Jahre vorher ebenfalls zensiert wurde.

Aber Luke muss heute noch ohne mich kämpfen, denn lineares Fernsehen hin oder her – mein Netflix-Zugang ist abgelaufen! Weil die Superheldenrezeptoren schon mal sensibilisiert und die Zeitfenster freigeschaufelt sind, schaue ich den Piloten von „The Tick“ – eine in den 80ern von Ben Edlund erdachte Superheldenparodie, deren zweite Realverfilmung just auf Amazon gestartet ist.

Für Kinder ist das Werk jedenfalls nichts: Ein durch eine Begegnung mit dem Bösen psychisch schwer traumatisierter schüchterner Held mit Brille und Augenzucken trifft auf den Hanswurst aller „winged avengers“ – den in blauem Latex und mit beweglichen Fühlern ausgestatteten „The Tick“.

Anstrengende Riesenameise

Die anstrengende Riesenameise schwafelt pausenlos über die Rettung der Welt, das Schicksal und seinen Antagonisten „The Terror“, was zwar inhaltlich nicht wirklich komisch ist, in der Kombi mit vielen ruhigen, ernst gemeinten Szenen zur posttraumatischen Belastungsstörung des Helden und einigen gewaltlastigen Einschüben aber schon.

Man fragt sich nämlich die ganze Zeit, was das soll – kommt vielleicht am Ende raus, dass das alles, die fliegenden Menschen, die blaue Ameise, der Böse, nur im Kopf des Helden stattfindet? Oder hat da jemand keinen Funken Ahnung von Gag-Timing und versucht erfolglos, witzig zu sein?

Sich über Superhelden lustig zu machen, ist nämlich nicht einfach – sind sie doch mit ihren Kräften, ihrer starren Moral und ihrem Retro-Modestil ohnehin in der Anlage enorm albern. Die Kreativen bei Marvel haben das erkannt und ihre ProtagonistInnen für die horizontale Serie düsterer, seriöser, verzweifelter gemalt.

Bei „The Tick“ hat das noch nicht geklappt, aber Serien sind bekanntlich keine One-Night-Stands. Man sollte ihnen eine zweite Chance geben.

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