Serie „WeCrashed“ bei Apple TV: Work-Life-Bullshit
Die Serie „WeCrashed“ erzählt von Aufstieg und Fall des exzentrischen „WeWork“-Gründers Adam Neumann – und zerpflückt toxische Start-Up-Kultur.
Was die großen Firmen des Silicon Valley so groß macht, ist meist nicht der Nutzen ihrer Produkte. Ob Facebook, Paypal oder Apple: Was die dort ansässigen Konzerne in die Welt trägt, ist viel eher das Lebensgefühl, das die Konsument*innen mit ihnen verbinden. Erfolgreiches Marketing, das auf die Emotionen der Kundschaft abzielt ist dabei sicherlich keine Erfindung aus San Francisco. Aber dort wurde es auf die Spitze getrieben und um eins erweitert: den Kult um charismatische CEOs.
Adam Neumann verkörpert diesen Silicon-Valley-Trend. Und das, obwohl sein Unternehmen „WeWork“ weder dort gegründet wurde noch streng genommen dem Tech-Bereich zuzurechnen ist – es bietet vor allem Coworking Büros für Soloselbstständige weltweit an (in Berlin gibt es acht Standorte). Gründer Adam Neumann rangiert irgendwo zwischen Genie und Wahnsinnigem. Über den furiosen Aufstieg und Fall des „WeWork“-Gründers gibt es jetzt eine grandiose Miniserie. Ironischerweise bei Apple TV, dem Streamingdienst des Apple-Konzerns, dessen Steve Jobs eine eben solche Lichtgestalt der Industrie darstellt.
Was die acht Episoden von „WeCrashed“ so unterhaltsam macht, ist Neumanns Exzentrik, dargestellt von Jared Leto. Den Schauspieler kennt man, passend zur Rolle, für seine gleichsam nervtötende wie faszinierende Affektiertheit. Wie zuletzt in „House of Gucci“ trägt Leto auch hier einen starken Akzent vor sich her – Neumann stammt aus Israel. Der Start-Up-Gründer ist rhetorisch talentiert und zieht wahlweise Geldgeber*innen, Geschäftspartner*innen oder Mitarbeitende mit dreisten Bluffs, verheißungsvollen Versprechungen und verlockenden Zukunftsvisionen in seinen Bann.
Showrunner Lee Eisenberg und Drew Crevello lassen das Spektakel dramaturgisch klug mit dem „Crash“ beginnen. Im Herbst 2019 entscheidet der Vorstand des Unternehmens, Neumann zu entlassen. Zuvor ist der Börsengang von „WeWork“ gescheitert. Weniger als zehn Jahre nach seiner Gründung wurde das Unternehmen mit unglaublichen 47 Milliarden bewertet – was sich bei der für diesen Schritt notwendigen Offenlegung der Finanzen aber als großer Irrtum erwies. In Wahrheit erzielte es – bestenfalls – kaum Profit, Neumann und Ehefrau Rebekah (Anne Hathaway) nutzten Firmengelder mitunter für die Erfüllung ihrer ganz persönlichen Ziele.
Neoliberale Märchen
Sympathie empfindet man zwar keine für den Geschäftsmann, der seine Angestellten mit niedrigen Löhnen abspeiste und statt nachhaltigem Wachstum stets nur die Traumvorstellungen, die sein eigenes Ego am laufenden Band hervorbrachte, als oberste Priorität seines unternehmerischen Strebens kannte. Jedoch fasziniert die Frage, ob Neumann, der selbst einen Teil seiner Kindheit in einem Kibbuz verbrachte, womöglich selbst glaubte, mit seinen Büroräumen ein Gefühl von Gemeinschaft und Verbundenheit zu erzeugen – oder ob doch bloßer Erfolgswille dahinter steckte. Beantwortet wird die Frage am Ende nicht.
Mit einem Zeitsprung von zwölf Jahren in die Vergangenheit zeichnet „WeCrashed“ nach, was zum Abstieg führte und setzt dabei gleichsam zu einer genauen Charakterstudie an. 2007 ist Neumann ein erfolgloser Geschäftsmann, der mit kuriosen Erfindungen – wie einklappbaren Stilettos – versucht, den Durchbruch zu schaffen. Schon da zeichnet sich eine Eigenschaft ab, die ihm zu seinem Erfolg verhelfen soll: Der unbedingte Glaube an seine eigenen Fähigkeiten, und die absolute Intoleranz gegenüber jeglichem „Nein“. Bestärkt wird sein Selbstvertrauen durch Rebekah – ihres Zeichens erfolglose Schauspielerin, Yoga-Lehrerin und Cousine von Gwyneth Paltrow.
Sie ist es, die ihn dazu ermuntert, sich voll und ganz einer Idee zu verschreiben, und „WeWork“ gleichsam mit einer spirituellen Botschaft aufzuladen. Arbeit, die sich nicht wie Arbeit anfühlt – so lautet das leere Versprechen von „WeWork“: Neue Kontakte knüpfen, in inspirierender Umgebung sich selbst verwirklichen, ein neues Lebensgefühl – das ist es, was das Unternehmen zu bieten behauptet. Nicht etwa bloß einen überteuerten Schreibtisch.
„WeCrashed“ ist sowohl eine absonderliche Liebesgeschichte zwischen zwei ebenso absonderlichen Figuren – als auch eine minutiöse Analyse eines vermeintlich progressiven Neoliberalismus, wo sich Unternehmen mit gesellschaftspolitischen Ambitionen schmücken, die letztlich Worthülsen bleiben.
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