Serie „The Shannara Chronicles“: Auch Fantasy hat Verantwortung
In einer neuen Amazon-Serie heißt eine Räuberbande ausgerechnet „Zigeuner“. Warum nutzen die Macher diesen umstrittenen Begriff noch?
Kurz darauf ist Wil betäubt und alle seine Sachen los. Das ist nur ein Beispiel für die sehr zweifelhafte Darstellung des Stammes der „Zigeuner“ in der neuen MTV-Serie „The Shannara Chronicles“. Die Serie folgt der Romanvorlage von Terry Brooks und lief in Deutschland zu Beginn des Jahres exklusiv auf Amazon Prime. In Kürze wird sie außerdem auf RTL2 zu sehen sein.
Wie kann es sein, dass im Jahr 2016 eine neue Serie erscheint, die völlig unverfroren mit diesem zweifelhaften Begriff arbeitet? Die Pressestelle von Amazon antwortete auf diese Frage durch eine Münchner Kommunikationsagentur: Der Rechteinhaber, die Tele München Gruppe, sei mit dieser Bezeichnung in der deutschen Synchronfassung der deutschen Übersetzung des Romans gefolgt.
Die Bedeutung von „Zigeuner“ ist umstritten
Sowohl in der englischen Originalfassung als auch in der Romanvorlage ist der Name des Stammes „Rover“, was Wörterbücher mit „Landstreicher“ oder „Vagabund“ übersetzen. Die erste deutsche Übersetzung der Romanvorlage inklusive der fragwürdigen Übersetzung von „Rover“ mit „Zigeuner“ stammt aus dem Jahr 1983, einem Jahr nach der offiziellen Anerkennung der Sinti und Roma als NS-Genozidopfer in der Bundesrepublik.
Man kann diese Übersetzung so verteidigen: Anfang der 1980er Jahre war die Bedeutung von „Zigeuner“ noch Spezialwissen. In dieser Zeit begann auch die Einsicht in der Mehrheitsgesellschaft zu wachsen, von der erstarkenden Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma lautstark eingefordert, dass die „Zigeuner“ mehrheitlich überhaupt nicht „Zigeuner“ genannt werden wollen, und sich auch selber so nicht bezeichnen.
Der Begriff „Zigeuner“ ist in den Medien nicht mehr üblich
Dies ist mittlerweile durch Befragungen und Quellen belegt, auch wenn polternde Journalisten wie Rolf Bauerdick nicht müde werden zu behaupten, dass die Bezeichnung „Sinti und Roma“ eine Wortschöpfung von Gutmenschen sei und sich doch eigentlich fast alle Betroffenen selber als „Zigeuner“ bezeichneten.
Jedoch ist es zum Glück in der medialen Berichterstattung längst üblich, den Begriff „Zigeuner“ nicht mehr zu verwenden. Dennoch stört sich scheinbar niemand an den Verwendung in der neuen MTV-Serie, nur das Medienmagazin „Zapp“ kritisierte dies kurz.
Es bleibt der „literarischen Freiheit“ überlassen, ressentimentbeladene Plots und Figuren zu entwerfen. Diese in der deutschen Übersetzung aber mit dem Begriff „Zigeuner“ zu belegen, zeugt von plumper Rücksichtslosigkeit. Der Begriff ist problematisch.
Rassistische Zuschreibung
Denn es handelt sich um eine Fremd- und keine Eigenzuschreibung, die von den Nationalsozialisten zwar nicht erfunden, jedoch benutzt wurde, um eine heterogene Gruppe Menschen zu verfolgen, denen bestimmte ethnische und soziale Merkmale zugeschrieben wurden. Etwa das Merkmal der „vererbten Kriminalität“.
Die Charakterzeichnung der Figuren des Stammes in der Serie überzeichnet gerade diese Ressentiments. „Zigeuner“ steht in der Serie für eine Gruppenzugehörigkeit, die niederträchtige Eigenschaften zwangsläufig vorgibt.
Kosmetische Korrektur der TV-Serie
Nun handelt es sich bloß um eine Fantasy-Serie, jedoch wird in der Bevölkerung der „Zigeuner“-Begriff noch immer für die in der Bundesrepublik lebende Gruppe der Sinti und Roma verwendet. Insofern greift die Serie mit diesem Wort historisch gewachsene Vorurteile auf und belebt sie, wenn auch nur in der Fiktion.
Der Verlag Blanvalet verwendet in der gerade neu erschienen Taschenbuchausgabe des Romans das Wort „Fahrensleute“ anstatt „Zigeuner“, ohne jedoch den Plot zu verändern. Wenigstens diese kosmetische Korrektur hätte auch der TV-Serie gut zu Gesicht gestanden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“