Serie „Shelter – Der schwarze Schmetterling“: Glaubwürdig ist hier gar nichts

Amazon hat sich eine Verfilmung von Harlan Coben gesichert. Herausgekommen ist hanebüchener Unsinn – der einen doch irgendwie fesselt.

Drei Teenies stehen im Dunkeln und gucken in Richtung Himmel

Die Hauptrollen werden in der Serie vor allem von Teenagern gespielt Foto: Michael Parmelee/Prime Video

Ein bis zwei Romane veröffentlicht Harlan Coben pro Jahr, fast ausschließlich Thriller und immer Bestseller. Jene Art Bücher, die gar nicht erst als Hardcover erscheint und sich besonders an Flughäfen und Bahnhöfen gut verkauft. Dass diese Lektüre – sprachlich eher unterkomplex, aber clever konstruiert – eine Grundlage für leicht konsumierbaren Streaming-Content ist, hat sich längst herumgesprochen.

Mit Netflix hat der US-amerikanische Autor schon vor Jahren einen millionenschweren Vertrag über mehrere Verfilmungen abgeschlossen. Und nun springt auch Amazon auf den Zug auf. Dort ist man so überzeugt von der Zugkraft des Autors, dass man seinen Namen direkt in den Serientitel integriert hat: „Harlan Coben Shelter – Der schwarze Schmetterling“.

Als Grundlage dient die Reihe um Mickey Bolitar, die sich eher an ein jüngeres Publikum wendet – ein Ableger von Cobens Myron-Bolitar-Romanen. Wem diese Namen nichts sagen, der wird von der Serie trotzdem abgeholt: Vorwissen ist nicht nötig, zumal sich die Serie eh nicht strikt an die Buchvorlage hält.

Mickey Bolitar (Jaden Michael) ist ein aufgeweckter Jugendlicher, den es in die Kleinstadt verschlägt, aus der seine Familie väterlicherseits stammt. Als sein Vater bei einem Autounfall ums Leben kommt und seine Mutter wegen Depression in die Klinik muss, kommt der talentierte Basketballer bei seiner Tante Shira (Constance Zimmer) unter, zu der er ein eher angespanntes Verhältnis pflegt. Immerhin verguckt er sich gleich am ersten Schultag in die ebenfalls neue Ashley.

Unerschütterlicher Mystery-Grusel

Doch als die wenig später spurlos verschwunden ist und Mickey obendrein auf ein unheimlich-verwunschen wirkendes Anwesen aufmerksam wird, wo ihm eine alte Dame (Tovah Feldschuh) zuraunt, dass sein Vater noch leben würde, überschlagen sich schnell die Ereignisse.

Sieht man davon ab, dass in der Serie die meisten Prot­ago­nis­t*in­nen Teenager sind, entspricht die Serie eigentlich exakt dem Muster, das man schon von den Netflix-Adaptionen kennt. Ein wichtiger Bestandteil ist dabei eine ansprechende Besetzung, wobei in diesem Fall vor allem Constance Zimmer („UnReal“) sowie der charismatische Shootingstar Jaden Michael, der schon als junger Colin Kaepernick in „Colin in Black & White“ positiv auffiel, überzeugen. Noch entscheidender ist allerdings der Plot, der rastlos von einer Wendung und Überraschung zur nächsten jagt.

Coben selbst und seine Tochter Charlotte haben dieses Mal die kreative Hauptverantwortung übernommen, was allerdings nicht verhindert, dass auch dieser mit übernatürlichem Mystery-Grusel unterfütterter Thriller in die gleichen Schwierigkeiten gerät wie zuletzt „Ich schweige für dich“ oder „Wer einmal lügt“. Denn all das Tempo und die Spannungsbemühungen haben auch hier zur Folge, dass die Handlung und das Verhalten der Figuren schon ab der ersten Episode derart abstruse Formen annehmen, dass selbst realistischere Dialoge dagegen nicht viel hätten ausrichten können. Glaubwürdig ist hier wirklich gar nichts.

Dass dann auch noch der Holocaust ins Spiel kommt, entpuppt sich zwar als nicht ganz so geschmacklos wie befürchtet, lässt die Serie allerdings endgültig in eine Dimension hanebüchenen Unsinns kippen, aus der es kein Entkommen gibt. Das Paradoxe ist nur: Hat man sich einmal darauf eingelassen und nach der ersten doch auch noch die zweite (von insgesamt acht) Folgen angeklickt, kann man kaum aufhören, weil man eben unbedingt erfahren möchte, welche kuriosen Volten die Geschichte noch schlägt. Womit dann wohl das Coben’sche Erfolgsgeheimnis auch schon auf den Punkt gebracht wäre.

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