Serie „Extrapolations“ bei Apple+: Cli-Fi mit Staraufgebot
In der Drama-Serie „Extrapolations“ versuchen Stars wie Edward Norton, die Klimakatastrophe zu überleben. Apple+ schießt Szenerien mit der Bazooka.
Zu Beginn der Pandemie erschien der Film „Contagion“ von 2011 wie eine grimmige Prophezeiung von Covid-19, der von der infizierten Fledermaus bis zu den Querdenkern vieles vorhersah, mit dem wir uns seitdem auseinandersetzen müssen.
Nun ist Drehbuchautor Scott Burns zurück und hat erneut schlechte Nachrichten im Gepäck. Die Katastrophe, der er sich diesmal widmet, ist der Klimawandel. „Extrapolations“ bei Apple+ extrapoliert, wie der Name schon sagt, aus unserer Gegenwart in die Zukunft eines sich erhitzenden Planeten. Wie wird sich unsere Gesellschaft unter dem Druck des Klimawandels verändern? Wie werden wir überleben? Überflutete Städte, halbe Kontinente, die zu Wüsten werden, neue tödliche Krankheiten und mitten drin Machteliten, die sich weigern, Verantwortung zu übernehmen, und die nächste Generation die Probleme lösen lassen: Das ist die Szenerie, vor der sich ganz unterschiedliche Geschichten abspielen.
Ähnlich wie die Erfolgsserie „Black Mirror“, die mit stilistisch höchst unterschiedlichen, in sich abgeschlossenen Episoden vor den Gefahren des Digitalen warnte, erzählt „Extrapolations“ in jeder Folge eine andere Geschichte und folgt anderen Charakteren.
Dieses Format birgt auch Gefahren. Zwar sind manche Folgen großartig, packend, anrührend, andere jedoch überladen und klischeehaft. Dabei schießt Apple+ wie immer mit der richtig großen Bazooka. Das viele Geld, das der iPhone-Konzern für seine Serien ausgibt, verleiht ihnen zuverlässig den Anstrich einer qualitativ hochstehenden Produktion. Und viel Geld kauft viel Starpower. Bei „Extrapolations“ geben sich Edward Norton, Marion Cotillard, Tobey Maguire und viele andere bekannte Schauspieler:innen die Klinke in die Hand. Sogar Meryl Streep macht mit – in einer der eher bizarren künstlerischen Entscheidungen unter anderem als Stimme eines Walfischs.
In jeder Folge ein anderes Genre
„Extrapolations“ beginnt 2037 und springt mit jeder der acht Folgen ein weiteres Jahrzehnt in die Zukunft, in der offensichtlich wird, wie Entscheidungen, die davor getroffen wurden, nun die Welt bestimmen. Die Anthologieform erlaubt es der Serie, in jeder Folge ein anderes Genre zu erkunden, von emotionalen Geschichten über zwischenmenschliche Beziehungen bis zum Action Thriller. In einer Folge kämpft sich Sienna Miller durch einen Waldbrand, ein Jahrzehnt später führt ein Rabbi seine Gemeinde in einem versinkenden Miami im Gebet. Zwei Folgen basieren auf einer Geschichte des Autors Dave Eggers über Geoengineering, die Idee, das man mit technischen Mitteln künstlich das Klima zu unseren Gunsten verändern kann.
ab 17. März bei Apple+
Im Hintergrund aller Folgen lauert ein Multimilliardär, gespielt von „Game of Thrones“-Star Kit Harington. Seine Hightechprodukte bestimmen die Zukunft so wie heute – Ironie von Apple+? – iPhones, Facebook und Google. Er findet, die Milliardärsklasse solle dank ihrer angeblichen Erfindungskraft und ihrem Unternehmensgeist die Welt retten.
Und welchen Elan sie dabei entfalten: In der ansteigenden Hitze werden portable Kühlgeräte attraktiv, Menschen verlieren in den hohen Temperaturen ihr Gedächtnis, also verkauft ihnen Silicon Valley Gedankenspeicher, Gentechfirmen patentieren die DNS von aussterbenden Tieren. Wie der Kapitalismus noch aus jeder Katastrophe Profit schlägt, zeigt „Extrapolations“ damit anschaulich.
Dass uns der Kapitalismus überhaupt erst den ganzen Schlamassel eingebrockt hat, davor schreckt Drehbuchautor Burns dann aber doch zurück. Trotzdem ist „Extrapolations“ein wichtiger Beitrag im immer weiterwachsenden Genre der Climate Fiction, oder kurz Cli-Fi. Man kann nur hoffen, dass Burns prophetische Visionen diesmal als Warnung taugen und wir nicht wie in der Pandemie jeden in der Popkultur bereits angekündigten Fehler trotzdem noch mal begehen.
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