Serie-A-Clubs international erfolgreich: Neue Freunde der Imbissbude
Die italienischen Fußballclubs sind in den europäischen Wettbewerben wieder erfolgreich. Falsche Weichenstellungen sind korrigiert.
BERLIN taz | Lange Zeit haben sich die italienischen Teams mit der Zuschauerrolle begnügen müssen, wenn auf den europäischen Bühnen die großen Fußball-Symphonien aufgeführt wurden. In dieser Saison jedoch spielen sie unerwarteterweise wieder mit im Konzert der Großen.
Der frisch gekürte Meister Juventus steht im Halbfinale der Champions League. Pokalsieger SSC Neapel und dem aufstrebenden AC Florenz gelang das gleiche Kunststück in der Europa League.
Damit ist zwar noch keine Trophäe gewonnen. Dennoch ist diese Momentaufnahme in den europäischen Wettbewerben ein Zeichen für einen Aufwärtstrend. Mehr als eine Dekade ist es her, dass drei oder mehr Vertreter der Serie A im Halbfinale der europäischen Klubwettbewerbe dabei waren.
2003 gelang das dem späteren Sieger Milan, Finalist Juventus sowie Inter in der Königsklasse sowie Lazio im damaligen Uefa-Cup. Sogar bis ins abgelaufene Jahrhundert muss man zurückblicken, um auf zwei italienische Teams in der Vorschlussrunde des kleineren der europäischen Klubwettbewerbe zu stoßen.
Fußballsoldaten werden kreativ
Die aktuelle Erfolgsbilanz hat zwei Ursachen. Zum einen setzt Juventus seinen Konsolidierungskurs fort. Der anfangs skeptisch beäugte Trainer Massimiliano Allegri verlieh der Mannschaft größere Flexibilität. Er übertrug den Spielern Verantwortung – und weckte bei den von Vorgänger Antonio Conte eher zu Fußballsoldaten gedrillten Sportlern ungeahnte kreative Fähigkeiten.
„Unter Conte war jede einzelne Bewegung programmiert. Wir marschierten immer vorwärts. Unterschiede gab es nur, wenn wir physisch nicht ganz auf der Höhe waren. Mit Allegri indes lassen wir mehr den Ball zirkulieren und versuchen die Energien besser zu dosieren“, erklärte Mittelfeldmann Claudio Marchisio.
Der bessere Kräftehaushalt führt dazu, dass die Juventus auf Rückstände besser reagieren kann und bei Fehlern nicht gleich auseinanderbricht, wie dies in der Ära Conte vor allem auf internationalem Parkett meist der Fall war. Die Bayern konnten vor zwei Jahren Juventus spielend leicht eliminieren. Für Borussia Dortmund hingegen war die aktuelle Juve-Truppe eine Nummer zu groß. Das lag nicht nur an der eigenen Schwäche, sondern auch am Qualitätszuwachs durch Allegri.
Der Durchmarsch der italienischen Klubs in der Europa League – im Achtelfinale waren außerdem noch Inter, der FC Turin und der AS Rom dabei – hat zudem mit einer veränderten Weichenstellung in der Serie A zu tun. Nach der „Goldenen Dekade“ von 1989 bis 1999 mit sieben Uefa-Cup-Gewinnen (je einmal Napoli und Parma, zwei Mal Juve, drei Mal Inter) verlor dieser Pokalwettbewerb in Italien an Ansehen.
Restaurant oder Imbissbude?
Vielen Klubs waren die Reisen zu beschwerlich und auch zu teuer. Um die Stammspieler für die als wichtiger erachtete Meisterschaft zu schonen, wurden bessere B-Mannschaften aufgestellt. Hintergrund war die finanzielle Diskrepanz zwischen Champions League und dem kleineren Klubwettbewerb.
Das sei ein Unterschied wie zwischen einem 100-Euro-Restaurant und einer Imbissbude, meinte der damalige Juve-Coach Conte. Für Vereine, die wachsen wollen, war der Eintritt ins 100-Euro-Restaurant wichtig. Der Aufenthalt in der Imbissbude drohte Rückschläge im Gerangel um die Champions-League-Plätze mit sich zu bringen.
Das Aufwachen kam erst, als Italien durch die mangelnden Kluberfolge im Länderranking der Uefa abrutschte und den vierten Startplatz für die Königsklasse verlor. Adriano Galliani, der gewiefte Geschäftsführer des AC Mailand, versuchte in dieser Situation noch, die Uefa von separaten Rankings für Champions und Europa League zu bewegen.
Erst als das nichts fruchtete, wurde der Wettbewerb selbst wieder ernst genommen. Italien setzte zu einer Aufholjagd in der Rangliste an. Schon zum Ende der nächsten Saison könnte England von Platz 3 (derzeit auf zwei, aber in Kürze von der Bundesliga überholt) verdrängt werden.
Weil die Uefa die finanziellen Bedingungen für die Europa League attraktiver macht und der Sieger des Wettbewerbs im Folgejahr an der Champions League teilnehmen kann, ist anhaltendes Interesse gesichert. Denn wer in der zukünftigen Dreiklassengesellschaft nicht wenigstens dauerhaft in der Europa League spielt, ist zum Kampf gegen den Abstieg verdammt.
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