Senatswahlen im US-Südstaat: Das neue Georgia
Im traditionell republikanischen US-Bundesstaat gewinnen zwei Demokraten die ausstehenden Senatssitze. Eine weitere massive Niederlage für Trump.
„Thank you Georgia“ steht auf einem Schild im Hintergrund, als Raphael Warnock am Dienstagabend sein Wahlergebnis kommentiert. Der 51-Jährige hat einen historischen Sieg errungen. Der konservative Südstaat Georgia, eine Hochburg der Republikaner und der weißen Rassisten, schickt einen Demokraten, einen schwarzen Bürgerrechtler, einen Pastor und einen Anhänger der Befreiungstheologie in den US-Senat.
Bei Redaktionsschluss der taz war auch der zweite Demokrat in der Stichwahl in Georgia in Führung. Sollte sich der Vorsprung für Jon Ossoff bestätigen, werden die beiden Demokraten aus Georgia dem künftigen Präsidenten der USA eine Mehrheit im Senat verschaffen.
Sie wird hauchdünn sein, aber sie öffnet Joe Biden die Möglichkeit, seine Wahlversprechen tatsächlich umzusetzen. Für Donald Trump, der die Stichwahlen in Georgia zu seiner persönlichen Angelegenheit gemacht hatte, ist das eine weitere schwere Niederlage.
Warnock, der elfte Sohn von Erntearbeitern, der heute die Ebenizer Baptistengemeinde in Atlanta leitet, und Ossoff, Journalist und Filmproduzent, verkörpern das neue Georgia und bilden einen starken Kontrast zu den beiden republikanischen SenatorInnen. Letztere haben die beiden Demokraten mit allen möglichen rassistischen und ideologischen Stereotypen bekämpft.
Rassistischer und antisemitischer Wahlkampf
Kelly Loeffler, die Managerin und Spekulantin, die in der letzten Woche Milliardärin wurde, nannte Warnock nicht einfach bei seinem Namen, sondern setzte stets die Adjektive „radikal“ und „links“ davor. In einem Werbevideo, das ihre Kampagne kurz vor der Stichwahl veröffentlichte, war Warnocks Hautfarbe künstlich schwärzer gemacht.
David Perdue, der zweite Republikaner, ebenfalls ein Manager und Spekulant, veröffentlichte ein Werbevideo, in dem die Nase von Ossoff künstlich verlängert war. Ossoff ist jüdisch.
Bei einer Fernsehdebatte mit Loeffler, in der sie ihn „radikal links“ nannte und von ihm verlangte, sich vom Sozialismus zu distanzieren, blieb Warnock unbeeindruckt freundlich.
Als Pastor in Georgia ist er gegen die Masseninhaftierungen von AfroamerikanerInnen, für Lohngerechtigkeit, für Gesundheitsversorgung für alle und – was auch für einen progressiven Pastor nicht unbedingt die Regel ist – deutlich für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch eingetreten. Er hat auch den Dialog zwischen der Zivilgesellschaft und der Polizei moderiert.
GOP in der Krise
Bei seiner Ansprache am Dienstagabend zeigte Warnock keinen Triumphalismus. „Ich höre euch und ich sehe euch“, sagte er den WählerInnen. Und versprach, dass er im Senat für alle Georgians eintreten werde – auch für jene, die ihn nicht gewählt haben.
Für die RepublikanerInnen in Georgia bedeutete der Dienstag tiefe Rückschläge. Eine knappe Mehrheit der WählerInnen in dem „roten“ Bundesstaat hatte schon im November für Biden gestimmt. Trump hat seine Niederlage hier bis heute nicht eingestanden. Er bestand in Georgia auf der dreimaligen Neuauszählung der Stimmen. Und er macht die republikanische Spitze des Bundesstaates für angebliche „Fehler“ und „Betrug“ bei der Präsidentschaftswahl verantwortlich.
Am Wochenende vor der Stichwahl machte Trump dem republikanischen Innenminister von Georgia, Raffensperger, bei einem inzwischen veröffentlichten Telefonat Druck, das Präsidentschaftswahlergebnis zu manipulieren. Und am Abend vor der Stichwahl drohte Trump bei einem Meeting in Georgia an, dass er bei der nächsten Gouverneurswahl eine Kampagne gegen den Republikaner Kemp machen werde.
Paradoxerweise sind Kemp und Raffensperger die beiden Architekten der massiven republikanischen „Bereinigung“ der Wählerlisten in Georgia gewesen. Und im Jahr 2018, als Kemp mit Parolen gegen ImmigrantInnen und für Schusswaffen für den Gouverneursposten kandidierte, war Trump sein stärkster Unterstützer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften