Senatorin Jarasch über U-Bahn-Bau: Spitze Pfeile ins Rote Rathaus

Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch schärft ihr Profil an der grünen Basis – und zeigt der Regierenden Bürgermeisterin eine gelbe Karte.

Bettina Jarasch am Lenkrad eines BVG-Busses, Franziska Giffey im Hintergrund

Wer gibt hier die Richtung vor? Für Senatorin Bettina Jarasch keine Frage Foto: dpa

BERLIN taz | Die Grünen, das war einmal in erster Linie ein Basis-Projekt. Und auch wenn die Begeisterung der Partei für aufreibende Diskussionen mit Nicht-Profis längst auf Normalmaß zusammengeschnurrt ist: Es gibt sie noch, die Runden, in denen alle Ebenen angeregt miteinander diskutieren. Zu besichtigen bei der gut besuchten Zoom-Runde der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Mobilität am Mittwochabend, wo sich Bettina Jarasch erstmals als neue Senatorin den aficionados und aficionadas stellt.

Die Themenmischung in dem von der ehemaligen Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann geleiteten Meeting ist bunt. Da ist das Projekt einer gemeinsamen Planungseinheit für Radinfrastruktur, das sich aus MitarbeiterInnen der Senatsveraltung und der Bezirksämter zusammensetzen und an die in Friedrichshain-Kreuzberg gesammelten Erfahrungen mit Pop-up-Infrastruktur und „agilem Projektmanagement“ anknüpfen soll.

Oft sei längst klar, was konkret ansteht, so Jarasch, aber „dann schicken sich die Beteiligten monatelang Papiere hin und her und es entstehen enorme Reibungsverluste“. Es handele sich ausdrücklich um ein Angebot, mitmachen sollen „alle, die Lust drauf haben“, was bei mittlerweile acht grünen VerkehrsstadträtInnen schon einige sein dürften.

Auch der von Jarasch jüngst vorgestellte Pilotversuch eines Winterdienstes mit Sole auf Radwegen wird ausführlich abgehandelt. Die Fragen an die Senatorin sind teilsweise sehr konkret – und irgendwann muss sie noch einmal klarmachen, dass das experimentelle Salzen von Hochbordradwegen mitnichten ein „Hauptprojekt“ ist, sondern nur der Versuch, einen klassischen Zielkonflikt zwischen Mobilitätswende und Umweltschutz aufzulösen.

Das Thema, bei dem Jarasch dann aber richtig in Fahrt kommt, ist der seit Ende der vergangenen Legislaturperiode breit diskutierte und höchst umstrittene Neubau von U-Bahn-Strecken. Sie selbst hat vor Kurzem in einem Interview die Verlängerung der U7 zur Spandauer Heerstraße favorisiert: Die würde zahlreiche Fahrgäste anziehen, und weil an der Strecke viele Menschen mit geringen Einkünften lebten, habe das auch einen „Gerechtigkeitseffekt“.

Erstmal Klimacheck machen

Die grüne Basis ist da deutlich weniger enthusiastisch, und Jarasch kommt den ParteifreundInnen hier wieder etwas entgegen, indem sie auf etwas hinweist, was ohnehin beschlossene Sache ist: Zuerst werden sogenannte Nutzen-Kosten-Analysen durchgeführt, die die Wirtschaftlichkeit belegen müssen, vorher wird nichts gebaut. Aber auch ein Klimacheck müsse gemacht werden, denn „der Bau von Tunnelstrecken emittiert viel CO2“.

Das sagt die LAG schon lange. Sie hat Jaraschs Vorgängerin Regine Günther seinerzeit sogar eine Studie vorgelegt, nach der sich der Klima-Fußabdruck einer Neubaustrecke wie die in Spandau durch den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV erst nach über 100 Jahren amortisiert. Die Straßenbahn erzeuge beim Bau von viel mehr Kilometern viel weniger CO2 und ziehe weitaus mehr Menschen an. Das Klimaargument hatte Günther nicht beeindruckt, allerdings wurde der „Klimacheck“ für alle Vorhaben des Senats im Koalitionsvertrag verabredet.

Und dann wird deutlich, wie sehr es schon knirscht zwischen den Alphafrauen in der Landesregierung: Dass Franziska Giffey kürzlich beim gemeinsamen Besuch der BVG die Verlängerung der U7 zum BER als „Priorität“ benannt hat, passt Jarasch, die diesem Projekt gegenüber deutlich skeptischer ist, gar nicht in den Kram. „Wir haben eine Regierungschefin, die erwartet, dass ihre Richtlinienkompetenz umgesetzt wird, wenn sie eine Ansage macht“, schießt die Senatorin einen Pfeil in Richtung Rotes Rathaus – aber so laufe es nicht: „Sie muss damit leben, dass es eine Koalition und Absprachen gibt und sie nicht alleine im Senat sitzt.“

Im Übrigen sei das Argument, es bedürfe einer besseren Anbindung des BER durch die U-Bahn „Unsinn“. In Berlin komme man schon jetzt viel besser an den Flughafen als beispielsweise in München, und der Ausbau der Dresdner Bahn werde das noch einmal beschleunigen. Auch habe sie vom Brandenburger Ministerpräsidenten noch nichts dazu gehört, ob und wie das Nachbarland sich an dem Bau der Strecke, pekuniär beteiligen würde.

Da der Landkreis Dahme-Spreewald, auf dessen Gebiet die Verlängerung hauptsächlich verliefe, für einen Großteil der Finanzierung aufkommen müsste (von einer Milliarde Gesamtkosten ist die Rede) ist sich Jarasch „nicht sicher, ob dieses Ding mehr ist als ein Rohrkrepierer“.

Ungebührlicher Druck

Auch in der Frage, wie es mit der Wiederinbetriebnahme der alten „Stammbahn“-Strecke nach Potsdam weitergeht, ist Jarasch unglücklich über einen Vordrängler von Giffey: Bei ihrem Antrittsbesuch in der Potsdamer Staatskanzlei terminierte die Regierende freihändig den 29. März als Tag der Entscheidung, ob künftig Regional- oder S-Bahnen auf der Strecke verkehren sollen. Jarasch soll bis dahin eine Positionierung vorlegen, und es ist mehr als offensichtlich, dass sie diesen Druck gleich zu Beginn ihrer Amtsführung als ungebührlich empfindet.

Mit ihrem energischen Auftritt dürfte Jarasch bei der eigenen Basis gepunktet haben. Aber ob das das gemeinsame Regieren mit der Betonpartei SPD leichter macht?

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