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Senatoren wollen lokalen NahverkehrskonzernS-Bahn soll bei der BVG ankoppeln

Statt der bundeseigenen Deutschen Bahn soll die landeseigene BVG in Zukunft die pannengeplagte S-Bahn betreiben. Das fordern Wirtschaftssenator Wolf und Finanzsenator Nußbaum.

Bund oder Land? In Berlin herrscht Streit darüber, ob die S-Bahn in Zukunft unter kommunale Fittiche soll. Bild: dpa, Soeren Stache

Zwei Senatoren wollen, dass die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in Zukunft auch die S-Bahn betreiben. Die Deutsche Bahn soll sich als Konsequenz aus dem S-Bahn-Chaos im vergangenen Jahr zurückziehen, fordern Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) laut einem Bericht der Morgenpost. Wolf: "Ich halte es für wichtig, dass wir hier kommunalen Einfluss bekommen. Deswegen hat die BVG als kommunales Unternehmen für mich Priorität."

Die BVG ist als landeseigene Anstalt öffentlichen Rechts bisher für U-Bahn, Straßenbahnen, Busse sowie für sechs Fährlinien auf Wannsee, Spree und dem Kleinen Müggelsee zuständig. Den S-Bahn-Verkehr kauft der Senat dagegen bei der Deutschen Bahn ein. Der derzeitige Vertrag läuft noch bis Ende 2017.

Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) hatte Anfang des Jahres als Lehre aus dem S-Bahn-Chaos drei Optionen präsentiert: Ein Teil der S-Bahn-Strecken könnte europaweit ausgeschrieben werden - neben der Deutschen Bahn könnten sich dann auch andere Unternehmen bewerben. Zweitens könnte das Land der Bahn die S-Bahn abkaufen. Der Bund als Eigentümer der Bahn teilte allerdings mit, er wolle die S-Bahn behalten. Bleibt noch die dritte Lösung, für die sich jetzt Nußbaum und Wolf einsetzen: Die BVG könnte ab 2017 zunächst den S-Bahn-Ring betreiben, später dann auch die anderen Strecken übernehmen.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) kritisiert die Aussagen und plädiert dafür, in einer Ausschreibung nach einem Betreiber zu suchen. "Nur Wettbewerb kann eine größere Kundenzufriedenheit und mehr Qualität bei bezahlbaren Preisen garantieren", so der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Christian Wiesenhütter. Berlin könne nicht mal seine Straßen in Ordnung halten. "Es ist daher schwer zu glauben, das Land könne die S-Bahn-Übernahme schultern und einen effizienten Betrieb garantieren."

Die Bahngewerkschaften Transnet und GDBA fordern dagegen, dass die Bahn weiter die S-Bahn betreibt. "Es muss in Berlin auch künftig ein S-Bahn-System aus einem Guss und aus einer Hand geben." Die Berliner S-Bahn befinde sich "auf dem aufsteigenden Ast". Es gebe gute Chancen, dass die im vorigen Jahr entstandene Krise bald überwunden sei.

Der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici glaubt nicht, dass die BVG die S-Bahn effizienter betreiben kann. Er erklärte am Montag: "Wartungsmängel und Sicherheitsprobleme können nur behoben werden, wenn der Betreiber Geld in die Hand nimmt. Wie will sich das das Land Berlin leisten? Von welchem Geld sollen die Wagen erworben werden?"

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4 Kommentare

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  • NS
    Norbert Schneider

    Wer auch immer behauptet, die BVG sei nicht in der Lage, die S-Bahn gut zu betreiben, sollte sich lieber erst besser informieren. Denn schon einmal wollte die BVG rein nichts von der S-Bahn wissen, war sogar heftiger S-Bahn-Gegner. Dann bekam sie vom Senat den Auftrag dazu, dies ab 9. Januar 1984 in Berlin (West) doch zu tun. Die S-Bahn war in einem viel schlimmeren Zustand als heute. Und dennoch hat die BVG es geschafft, daraus einen zuverlässigen Unternehmensteil zu machen. Betriebsmittel, die die BVG auf eigene Kosten angeschafft hatte wie z. B. Mehrsystem-Lokomotiven für Bau- und Betriebsfahrten speziell für die Berliner S-Bahn, hat die Deutsche Bahn AG nach der Übernahme 1994 von unserer S-Bahn abgezogen und inzwischen zerschrotet. Der S-Bahn ist heute nur noch ein einziger Hilfszug für das ganze Netz geblieben, während die BVG trotz aller Sparmaßnahmen für die beiden U-Bahn-Profile jeweils zwei Hilfszüge bereithält. So bleibt selbst beim notwendigen Werkstatt-Aufenthalt eines dieser Züge stets eine betriebsbereite Reserve, was es unter der Deutschen Bahn AG bei der S-Bahn nicht mehr gibt.

    Die Deutsche Bahn AG ist ja nicht einmal mehr in der Lage, ihr Kerngeschäft auf der Fernbahn zuverlässig zu betreiben. Erst am letzten Dienstag, dn 3. August ging morgens auf der als Projekt Deutsche Einheit mit teuren Steuergeldern finanzierten Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Hannover gar nichts, denn es gab einen Stellwerksschaden: 2 Stunden Verspätung nach dem Umweg über die alte Transitstrecke waren die Folge. Weitere Mängel der letzten Zeit brauchen hier nicht noch genannt zu werden, es gibt davon genug und die sind der Deutschen Bahn AG anzulasten.

    Es fällt auf, dass trotz der eklatanten Missstände kaum ein Politiker der sogenannten Volksparteien SPD, CDU und CSU die Deutsche Bahn dafür angemessen zur Rechenschaft zieht. Ohne jemandem direkt etwas unterstellen zu wollen, fällt allerdings auf, dass die Deutsche Bahn AG besonders gern ehemalige Bundes- und Länder-Verkehrsminister der genannten Parteien auf ihre Gehaltslisten setzt, was wohl kaum aus anderem Grunde geschieht als der Erwartung, dass diese bei ihren Parteien ihren Einfluss im Sinne der Deutschen Bahn AG zur Geltung bringen: Korruption halte ich für den dafür passenden Begriff.

    Umso erfreulicher ist es, dass endlich Politiker die im Interesse der Deutschen Bahn AG herrschenden Denk-Grenzen überschreiten, interessant ist dabei die Parteizugehörigkeit dieser Politiker!

  • SK
    Stefan K.

    "Wartungsmängel und Sicherheitsprobleme können nur behoben werden, wenn der Betreiber Geld in die Hand nimmt. Wie will sich das das Land Berlin leisten? Von welchem Geld sollen die Wagen erworben werden?"

     

    Wenn der Profit, welcher bisher an die DB weitergereicht wurde vielleicht dafür genutzt wird.

     

    Zudem stehen an erster Stelle die Sicherheit und der Versorgungsauftrag. Auf dieser Grundlage kann über Effiziens nachgedacht werden und umgekehrt.

  • D
    Daniel

    Die Idee ist toll.

    Die BVG sollte die S-Bahn betreiben und dazu sollte die Fahrt kostenlos für alle sein. Das würde volkswirtschaftlich eine Menge bringen.

    www.berlin-faehrt-frei.de

  • E
    EnzoAduro

    Ne das soll die DB machen. Die BVG hat doch gar nicht das know how. Die Übernahme ergibt ein Chaos.