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Senat schickt Künstler zum Sozialamt

■ Die Soziale Künstlerförderung steht auf der Streichliste des Senats. 1998 sollen statt 4 Millionen nur noch 750.000 Mark fließen. 1999 droht gar die Abwicklung. Fortführung als Stiftung hat wegen fehle

Auf den Fluren der städtischen Sozialämter wird es bald noch enger. Weil eines der ältesten und wichtigsten Förderprogramme, die Soziale Künstlerförderung, auf der Streichliste des Senats ganz oben steht, sind viele Kunstschaffende in ihrer Existenz bedroht. Statt dem bisherigen Zuschuß von insgesamt vier Millionen Mark kann Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU) im Haushaltsjahr 1998 junge Maler, Bildhauer, Fotografen sowie Schauspieler nur noch mit rund einer Million Mark unterstützen.

Nach dem derzeitigen Stand der Haushaltsberatungen 1998, bestätigt der zuständige Referatsleiter Winfried Langschied, „beläuft sich die Fördersumme auf real 750.000 Mark“. Die restlichen 260.000 Mark beinhalteten Sachleistungen. Sollte sich der Senat nicht zu einer Aufstockung der Mittel durchringen, „würde dies bedeuten, daß wir einen Bereich gänzlich einstellen müssen“. Eine Chance, „dies kurzfristig zu verhindern“, sieht Langschied in dem Antrag des Kulturausschusses an den Hauptausschuß im Abgeordnetenhaus, weitere 900.000 Mark zur Verfügung zu stellen. Über den Antrag soll in den kommenden Wochen entschieden werden.

Gerettet wäre die Soziale Künstlerförderung damit aber nicht. 1999, so die Sorge vieler Künstler, könnte das Fördermodell ganz gestrichen werden. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) sowie Finanzsenatorin Annette Fugmann- Heesing (SPD) haben sich für die Abwicklung der sozialen Leistungen ausgesprochen. „Damit wäre der Weg zum Sozialamt für manche Künstler vorgezeichnet“, befürchtet Langschied. Eingerichtet wurde die Soziale Künstlerförderung in den fünziger Jahren, um bedürftigen Malern und Bildhauern finanziell unter die Arme zu greifen. Für Projekte wurde ihnen von einer Jury eine monatliche Zulage von 700 Mark gewährt. Anfang der 90er Jahre stieg die Fördersumme für die mehrmonatigen Werkverträge auf rund 1.000 Mark. Als Gegenleistung übertragen die Künstler ihre Arbeiten dem Land, das damit seine Amtsstuben, Senatorenzimmer, Krankenhäuser oder Galerien ausstattet.

Der Löwenanteil der Bilder und Plastiken allerdings landet im Depot, in dem bis dato über 14.000 Kunstwerke lagern. Daß dies nicht nur eine Halde für mittelmäßige Kunst bedürftiger Dilettanten ist, läßt sich daran erkennen, daß zu den geförderten Künstlern Baselitz, Lüpertz, Vostell oder Hannah Höch gehörten. Langschied: „Es werden bei uns insbesondere Absolventen der Hochschulen gefördert, die sich in einem existentiellen Loch befinden.“ Der Vorwurf, daß schlechte Kunst unterstützt würde, „ist Unsinn“.

Um die Soziale Künstlerförderung doch noch zu retten, hatte jüngst Senatorin Hübner die Einrichtung einer Stiftung geplant, die unabhängig vom Senatshaushalt arbeiten und Fördermittel vergeben kann. Das Stiftungsmodell wurde jedoch vorerst auf Eis gelegt, weil die Mittel für das Stiftungskapital von weit über 10 Millionen Mark nicht aufzutreiben sind. Ein weiteres Eisen im Feuer macht Langschied bei der Investitionsbank Berlin (IBB) aus. Diese hätte sich bei Gesprächen für eine Künstlerförderung „aufgeschlossen gezeigt“ und eine inhaltliche Einmischung in die Auswahl nicht im Sinn. Rolf Lautenschläger

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