piwik no script img

Seltene Einigkeit in der BürgerschaftDas Parlament spart nicht mehr

Drei Jahre gings ohne, nun will Rot-Grün einen neuen, sehr gut bezahlten Parlamentsdirektor berufen. Auch die Opposition ist dafür

Darf sich einen neuen Parlamentsdirektor aussuchen: Präsident Christian Weber (SPD) Foto: DPA

BREMEN taz | Im Moment ist sie gerade etwas kopflos, die Parlamentsverwaltung. Einen Direktor hat die Bürgerschaft ja schon seit über drei Jahren nicht mehr. Nun ist aber auch Stellvertreterin Marlis Grotheer-Hüneke (SPD) weg – sie ging zum Monatsende in den Ruhestand. Ihre Stelle wird in den kommenden Tagen neu ausgeschrieben. Doch Rot-Grün will auch einen neuen Bürgerschaftsdirektor.

So steht‘s im Koalitionsvertrag: „Für die Koordination der vielfältigen Aufgaben der Bürgerschaft“, so heißt es da, soll „analog der Berufungsregeln für Staatsräte“ einE BürgerschaftsdirektorIn berufen werden können. Konkret heißt das: So wie sich SenatorInnen ihre StaatsrätInnen selbst aussuchen dürfen – wegen des „besonderen Vertrauensverhältnisses“ –, so darf sich Parlamentspräsident Christian Weber (SPD) bald eineN neuen BürgerschaftsdirektorIn aussuchen. Berufen wird der dann vom Vorstand des Parlamentes, zu dem neben Weber und seinen beiden StellvertreterInnen noch sechs SchriftführerInnen gehören, mindestens eineR aus jeder Fraktion. Dieses Gremium soll dann mit Dreiviertel-Mehrheit entscheiden, so heißt es aus Koalitionskreisen – damit die Opposition mit im Boot ist. SPD und Grüne allein haben hier fünf der neun Stimmen.

Der, die neue ParlamentsdirektorIn, VerwaltungschefIn von rund 60 MitarbeiterInnen, ist dann politischer Beamter, also nicht auf Lebenszeit berufen, und wird, anders als sein Vorgänger Karl-Heinz Hage nicht mehr nach B7, sondern „nur“ noch nach B5 bezahlt. So viel bekommen in Bremen auch der Polizeipräsident und der Sprecher des Senats. Das sind ab dem kommenden Jahr voraussichtlich 8.257, bei B7 wären‘s 9.165 Euro. Zum Vergleich: In Hamburg verdient der Parlamentsdirektor nach B6.

Damit wollen SPD und Grüne beweisen, dass sie aus der Vergangenheit gelernt habe. Weber hat schon zwei Mal einen Direktor in den vorläufigen Ruhestand geschickt – 2007 den Grünen Rainer Oellerich, 2012 den parteilosen Hage. Der, ein passionierter Musiker, spottete später, er sei nun der „höchstbezahlte Geiger Bremens“. Auch der Posten von Marlis Grotheer-Hüneke ist lukrativ: Nach B3 dotiert verdient man dort ab dem kommenden Jahr wohl mindestens 7.345 Euro – auf Lebenszeit. Im Gegenzug übernimmt man die Leitung des Wissenschaftlichen Dienstes der Bürgerschaft.

Über 8.200 Euro? „In Ordnung“, sagt auch Die Linke

Und während in Bremen vielfach die Wahrnehmung vorherrscht, das Parlament habe die letzten Jahre auch ohne DirektorIn gut funktioniert, sieht man das dort ganz anders. Selbst die Linkspartei findet, das Parlament braucht „auf jeden Fall“ eineN DirektorIn, auch die Bezahlung nach B5 geht für Cindi Tuncel, Schriftführer im Bürgerschaftsvorstand, „in Ordnung“. In den letzten drei Jahren habe die Parlamentsarbeit „gelitten“, so Tuncel, Ausschüsse mussten „wochenlang“ ohne AssistentIn auskommen, und überhaupt sei da auch bei einem Teilzeit-Parlament „ziemlich viel zu tun“.

Auch die FDP und CDU sind nicht gegen die Pläne von Rot-Grün. „Das Parlament braucht einen Direktor“, sagt Magnus Buhlert (FDP), weil sonst vieles liegen bleibe. Die Bezahlung findet er „gerade noch akzeptabel“. CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp hält den angekündigten Gesetzesantrag für „schlüssig“, und sagt im Übrigen, die Personalie sei „zunächst eine Ermessensentscheidung des Vorstandes der Bürgerschaft“. Nur an der dortigen Abstimmung maßgeblich beteiligt will die Opposition natürlich werden.

Das verspricht auch die grüne Fraktionschefin Maike Schäfer. Die Fraktionsgeschäftsführungen hätten doch gemerkt, dass in der Verwaltung einer fehlt, „der alle Fäden in Händen hält“, so Schäfer. Um dieses „Manko“ nun zu beheben, wird das Parlament nach der Sommerpause das Beamtengesetz ändern. Wer den Posten bekommt, und wann genau, ist aber noch unklar.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!