Selçuk und ich: Verbotene Liebe in Istanbul
Als trans Person die heimliche Freundin zu sein ist schwer genug. Aber manchmal kann selbst die verborgene Beziehung etwas Schönes sein.
B ei einem Fernsehkanal in Istanbul habe ich 2013 eine Stelle als Reporterin gefunden, meine erste offizielle Stelle als trans Journalistin. Eines Tages ging ich zur Kaffeepause in den Erholungsraum des Bürokomplexes. Dort war eine Gruppe von Leuten, die übertrieben laut redeten und lachten. Sie hatten eine nervige Art zu sprechen, alles kommentierten sie mit: „Ich war so: Oha und so.“
Als ich mich genervt zu ihnen drehte, um zu schauen, wer diese albernen Typen waren, voilà: trafen sich unsere Blicke. Nun war ich „so oha und so“. Sein Blick, sein Lächeln und vor allem sein Körper waren umwerfend. In dem Moment lächelt er mich an. Und ich erstarre mit einem dummen Lächeln im Gesicht. Natürlich habe ich mich gleich wieder professionell gefangen. Aber in dieser Nacht konnte ich vor Aufregung bis morgens nicht schlafen.
Mehr Parfüm als normalerweise
In der Hoffnung, ihn wiederzusehen, zog ich mir am nächsten Morgen etwas Schickes an, legte ein wenig Make-up auf und trug mehr Chanel Chance auf als normalerweise. Doch es dauerte zwei Wochen, bis er kam und nach meiner Nummer fragte. Es folgten jeden Morgen Guten-Morgen-Nachrichten, Telefonate bis tief in die Nacht und tagsüber kurze Anrufe, um die Stimme des anderen zu hören.
Er war zehn Jahre jünger als ich, aber wen stört das? Nach einiger Zeit fingen wir eine Beziehung an. Wenn ich sage Beziehung, meine ich vor allem Telefongespräche. Selçuk – so hieß er – wollte nicht, dass jemand von uns erfuhr.
Er sagte mir stets, dass ich von allen Frauen, mit denen er zusammen gewesen war, die schönste sei. Er zeigte mir, wie glücklich er mit mir war, doch draußen konnte er niemandem von uns erzählen. Er schützte sich vor dem Druck der traditionellen Familie, vor Scham und Kommentaren wie „ach, bist du mit einem Transvestiten zusammen“.
Keine Energie für Heimlichkeiten
Das Schicksal der trans Frauen ist die heimliche oder die verbotene Liebe. In Istanbul verheimlichen es Männer gemeinhin, wenn sie mit einer trans Frau zusammen sind. Sie erzählen weder ihrer Familie noch ihren Freund*innen oder ihrem nahen Umfeld von der Beziehung.
Doch ich hatte nun eine Karriere und war eine bekannte Journalistin. In meinem Alter hatte ich keine Energie mehr für eine heimliche Liebe. Ich sagte mir, dass dieses Schauspiel enden muss und trennte mich.
Eine Woche später rief er mich spätabends an: „Wach auf, ich komme vorbei.“ Noch auf der Türschwelle zog er sein T-Shirt aus, das vom Regen komplett nass war, ich fühlte mich wie in Pretty Woman. Mit der Aufregung, die einem das erste Mal nach einer zehnjährigen Beziehung gibt, verbrachte ich atemlose Stunden mit diesem wunderschönen Mann. Mit Selçuk war ich noch drei Monate zusammen. Dann betrog er mich.
Als ich davon erfuhr, habe ich die Tür geschlossen, und das ist sie bis heute. Doch wer weiß, vielleicht segelt eines Tages wieder aus dem Nichts ein schöner Mann an mir vorbei.
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