Selbstverbrennung tibetischer Mönche: Ob Buddha das gebilligt hätte
Erstmals setzen sich tibetische Mönche in der Hauptstadt Lhasa aus Protest gegen Chinas Unterdrückung selbst in Brand. Eigentlich lehnt der Buddhismus diese Form des Protestes ab.
XIAHE taz | Die Nachricht sprach sich auch in Xiahe innerhalb nur weniger Stunden herum – per SMS und Telefon. „Ja, es sind zwei Mönche, die noch vor Kurzem unter uns weilten“, berichtet ein Mönch in der tibetischen Klosterstadt in der Provinz Qinghai, rund 2.000 Kilometer nordöstlich von Lhasa, der taz. Einen von beiden habe er noch vor zwei Monaten persönlich in Xiahe getroffen.
Aus Protest gegen die chinesische Unterdrückung haben sich am Sonntag zwei Tibeter erstmals in Lhasa verbrannt. In unmittelbarer Nähe des Jokhang- Tempels, einem der höchsten tibetischen Heiligtümer, übergossen sie sich vor den Augen Hunderter von Pilgern mit Benzin und zündeten sich an. Einer kam sofort ums Leben, der andere wurde verletzt ins Krankenhaus gebracht. Damit erreicht die seit 2011 andauernde Serie von Selbstverbrennungen erstmals auch die tibetische Hauptstadt. Bislang hatten sich Mönche vorwiegend außerhalb der Autonomen Region Tibet angezündet.
Bei den beiden handelt es sich um einen 19-jährigen Novizen aus Aba in der chinesischen Provinz Sichuan und einen 23-Jährigen aus Xiahe. Beide hatten sich bis vor Kurzem noch zur Ausbildung zum Mönch auf dem Klostergelände in Xiahe befunden. Spätestens seit den schweren Unruhen im Frühjahr 2008 gelten sowohl Xiahe als auch Aba als Hochburgen des tibetischen Widerstands gegen Peking. Seit 2011 haben sich 34 Mönche selbst in Brand gesetzt. 20 kamen dabei ums Leben. Bis auf einen Fall fanden sie alle in den zumeist tibetisch bewohnten Gebieten in den chinesischen Provinzen Sichuan, Qinghai oder Gansu statt.
Die chinesischen Sicherheitskräfte reagierten auf die jüngsten Selbsttötungen umgehend. Der US-Sender Radio Free Asia berichtet, dass um den Jokhang-Tempel und den Potala-Palast, der einstigen Residenz des im Exil lebenden Dalai Lama, Hunderte von Polizeiwagen aufgefahren sind und jeder Tibeter durchsucht wird. Auch in Xiahe bewachten chinesische Sicherheitskräfte sämtliche Plätze und Eingänge der Klosteranlage.
Sowohl Xiahe, Aba als auch Lhasa sind wegen eines wichtigen buddhistischen Festes derzeit mit Pilgern überfüllt. Offiziell feiern sie den Geburtstag Buddhas. Doch viele von ihnen gedenken auch der Opfer und Geflohenen des tibetischen Widerstands. Der Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der Tibeter, und auch die tibetische Exilregierung haben mehrfach ihre Anhänger aufgefordert, Selbstverbrennungen zu unterlassen und darauf hingewiesen, dass auch der Buddhismus diese Form des Protestes ablehnt.
Immer mehr tibetische Mönche in den von China besetzen Gebieten sehen das jedoch anders. „Wer es für richtig hält, sich selbst zu verbrennen, soll das auch tun“, sagte dazu gestern ein Mönch in Xiahe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen