Selbstorganisierter Kampfsport: Solidarischer Kick im Boxring
Von Verbänden autonom organisierte Kampfsportabende locken nicht nur mit Sport. Es geht vor allem um die politische Ausrichtung.
Angesetzt sind 14 Begegnungen in der verschiedensten Kampfsportdisziplinen, acht drei Boxkämpfe, acht im Thaiboxen und zwei nach dem Kickbox-Regelwerk K1. Diese Mischung der unterschiedlichen Kampfsportdisziplinen entspreche ungefähr der Verteilung der Anmeldungen, sagt einer der Organisatoren der taz.
Die Kämpfer*innen kommen aus allen Teilen Deutschlands sowie aus dem europäischen Ausland. Das Augenmerk liege „auf einer möglichst diversen und internationalen Zusammensetzung und auf Paarungen, die dem Publikum hochwertige und unterhaltsame Kämpfe versprechen“.
Die Gala ist bewusst als Zuschauersportveranstaltung konzipiert, neben dem sportlichen Messen im Ring soll Geld für das Frauenhaus in Cizîrê in Rojava, dem kurdisch geprägten Teil von Nordsyrien, gesammelt werden. Der Organisationskreis setzt sich aus kampfsportaffinen Menschen der Berliner Antifa-Szene zusammen und ist dem kurdischen Befreiungskampf verbunden. Auch bei den zwei vorherigen Kampfabenden im SO36 wurden Spenden für Projekte in Rojava gesammelt.
Vergleichbare von unten organisierte Kampfsportevents mit eindeutig politischer Ausrichtung, die von linken Szenen organisiert werden, gibt es auch andernorts in Deutschland. Auch im europäischen Ausland finden immer häufiger Kampfabende statt, die jenseits der etablierten Verbände organisiert werden. Alle paar Wochen gibt es solche Veranstaltungen, die alle ihr Publikum haben. Durch diese Regelmäßigkeit ist das Maß an Professionalität aufseiten der Organisation mit der Zeit ebenso angestiegen wie das sportliche Niveau der der Athlet*innen.
Rechte müssen draußen bleiben
Bei all diese Kampfsportevents steht das antifaschistische Ansinnen, Sportler*innen, Klubs und Gyms auszuschließen, die Verbindungen in die extreme Rechte haben. Zudem sollen möglichst viele „Flinta-Paarungen“ ermöglicht werden, um die Arenen zu einem sicheren Ort für Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen zu machen. Wichtig ist den Veranstaltern dabei die Selbstorganisation ohne die jeweiligen Box- und Kampfsportverbände im Rücken.
Generell gehen die Thirtysix-Fights-Macher*innen im Gespräch mit der taz jedoch nicht auf Distanz zu den Verbänden, „denn diese bieten ja in der Tat professionelle Strukturen, wie Räume, Punkt- und Ringrichter*innen sowie Regelwerke“. Durch den Fokus auf ihre jeweilige Einzeldisziplin haben diese aber „klare Grenzen“. Selbstorganisierte Veranstaltungen seien da meist flexibler. Zudem könne „eine Veranstaltung mit einer politischen Ausrichtung wie das Thirtysix Fights nur schwerlich mit einem etablierten Kampfsportverband durchgeführt werden,“ sind sich die Organisator*innen sicher.
Ähnlich sieht man es beim Friendly Fire Fight Club aus Zürich. Der lädt am 18. Mai zum Boxabend in den „unkommerziellen Kultur- und Begegnungsraum Zentralwäscherei“. Björn Resener, einer der Organisator*innen der Events in Zürich, sagt, es gebe „keine Berührungsängste mit Kampfsportverbänden ohne große politische Ansprüche“. Die beiden Veranstaltungen des Clubs, die in Zürich schon stattfanden, haben 600 sowie 1.100 Besucher*innen angelockt.
„Das waren oft Leute, die noch nie zuvor bei einem Kampfsport-Event waren“, so Resener. In Zürich gehe es vor allem und die Stärkung der „antifaschistischen Kampfsport-Szene in unserer Region“. So soll bei jeder Paarung eine ortsansässige Kämpfer*in dabei sein. Die Gegner*innen kamen hingegen „aus Bern und Basel, aber auch aus Berlin, Leipzig, Frankfurt, Marseille und Paris“.
Offen für Publikum
Worin sich Thirtysix Fights und der Friendly Fire Fight Club von ähnlichen linken Szenekampfsportveranstaltungen unterscheidet, ist der Grad der Öffnung nach außen. Die Events haben Hunderte von Zuschauer*innen, andere Veranstaltungen hingegen „vermeiden aus unterschiedlichen Gründen, in der Öffentlichkeit präsent zu sein“, erläutern die Berliner Organistor*innen. „Damit richten sich diese Veranstaltungen ausschließlich an einen eingeschränkten Personenkreis.“
All diese Kampfsportveranstaltungsformaten erinnern an die Idee des Arbeitersports der Weimarer Republik. Während der bürgerliche Sport der Weimarer Republik die Verlängerung einer auf Wettbewerb ausgerichteten Gesellschaft in die Freizeit dargestellt hat, verbanden die Arbeitersportvereine politische Agitation sowie erlebte Solidarität mit gemeinschaftlicher sportlicher Betätigung. Konkurrenzdenken sollte nicht der ausschlaggebende Antrieb sein.
Oder wie Thirtysix Fights es 100 Jahre später formuliert: „Der Fokus liegt nicht auf einer kommerziellen oder rein sportlichen Ausrichtung, im Vordergrund steht der politische Charakter. Wir möchten nicht den Konkurrenzgedanken, sondern die Bereitschaft zur Solidarität betonen.“
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