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Selbst schuld und asozial!

betr.: „Das Ende zahlreicher Räusche“ (Debattenbeitrag von Claus Koch), taz vom 18. 11. 02

Dank Claus Koch weiß endlich auch der taz-Leser, wer an der Finanzmisere der gesetzlichen Krankenversicherung schuld ist: die asozialen Skifahrer mit ihren selbst verschuldeten Verletzungen sind es. Aber greift diese Analyse nicht zu kurz?

Was ist mit all den Freizeitkickern, die sich von ihren Kumpels auf die Socken hauen lassen? Ganz klar: selbst schuld und asozial! Und wer als Jogger, Wanderer oder Spaziergänger über laubbedeckte Baumwurzeln stolpert? Richtig: selbst schuld und asozial! Und was ist mit dem, der nie Sport getrieben hat und dafür mit fünfzig seinen Herzinfarkt bekommt? Gerade er: selbst schuld und asozial! Ich sehe noch reichlich Stoff für viele, viele schöne taz-Artikel. Was aber ist mit dem couragierten taz-Autor, der vor heiligem Zorn bebend von der Enter-Taste abrutscht und sich den Finger bricht? Selbst schuld und asozial? Blödsinn! Für den Arbeitsunfall eines verdienten Journalisten hat selbstverständlich der Sozialstaat aufzukommen. Dazu haben wir ihn doch.

WILFRIED HARTHAN, Dortmund

Wenn alle entsprechend ihrem eigenen Risiko herangezogen werden sollen, können wir uns die immensen Verwaltungskosten sparen und direkt zur Eigenvorsorge übergehen. Entscheiden wir uns dagegen für einen Mittelweg, setzt dies eine gesellschaftliche Verständigung darüber voraus, welche Lebensentwürfe solidaritätswürdig sind. Ich wünsche viel Spaß bei der „Leitbild“-Debatte.

Darf ich mich bewusst für ein bekanntermaßen gesundheitlich riskantes Singledasein entscheiden? Weiche ich in asozialer Weise von der Norm ab, wenn ich mich aus ethischen oder religiösen Gründen bestimmten medizinischen Methoden (gentechnische Verfahren, Fruchtwasseruntersuchung etc.) verweigere und dadurch zusätzliche Kosten verursache? Darf sich jemand, der ehrenamtlich arbeitet, ein schädliches Laster gönnen? Wie auch immer eine Einigung aussähe, sie würde an den Grundwerten unseres Gemeinwesens rütteln. Was nützt mir das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, wenn ich mir Abweichungen vom „sozialverträglichen Normalleben“ nicht leisten kann?

Die Freiheit des Individuums bedarf zwingend der Unterstützung durch die Gemeinschaft, ansonsten verkommt sie zur Freiheit der Wohlhabenden. Solidarität muss deshalb auch den Respekt vor den Lebensentwürfen der anderen beinhalten. Und zwar selbst dann, wenn sie kettenrauchen. ROBERT KNAPP, Köln

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