: „Selbst Gott ruhte am 7. Tag“
■ Gerd Heinrich, Vizepräsident des nordelbischen evangelischen Kirchenamtes in Schleswig-Holstein, will den Bußtag retten
taz: Schon im letzten Jahr gab es den Buß- und Bettag in den meisten Bundesländern nicht mehr. Nun wollen Sie ihn per Volksbegehren wieder einführen. Warum?
Gerd Heinrich: Zum einen ist der Bußtag für die evangelische Kirche ein wichtiger Feiertag. An diesem Tag geht es darum, sich auf die dunkle Vergangenheit zu besinnen. Buße ist in dem Sinne wichtig für ein gutes, öffentliches Klima. Außerdem halten wir nichts davon, daß die Pflegeversicherung mit Feiertagen bezahlt wird. Es ist bedauerlich, daß sich die politischen Parteien nicht anders einigen konnten. Daß sie nun das Tafelsilber der Gesellschaft, nämlich die Feiertagskultur, antasten, ist ein Schritt in die falsche Richtung.
Hat Ihr Volksbegehren Erfolg, geht das zu Lasten aller, die arbeiten. Die müßten für wiedergewonnene Freizeit mit Geld bezahlen.
Aber muß man denn wirklich mit Freizeit bezahlen? Auch alle kommenden Stufen der Pflegeversicherung sollten aus den Arbeitsverhältnissen heraus finanziert werden. Es ist doch nur gerecht und sinnvoll, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte zahlen. Mit dem jetzigen Pflegekompromiß ist diese solidarische Parität jedoch aufgegeben worden. Tatsächlich finanziert der Arbeitnehmer zum einen mit seinem prozentualen Beitrag die Pflegeversicherung, und die andere Hälfte des Beitrags, die eigentlich der Arbeitgeber leisten sollte, muß er auch noch bezahlen – und zwar durch kostenlose Arbeit am Bußtag. Der Arbeitnehmer zahlt also die ganze Zeche der Pflegeversicherung.
Bekäme er den Feiertag zurück, müßte er dafür dennoch in die eigene Tasche greifen.
Leider ja. Wir müssen uns da in dem engen Rahmen bewegen, den uns das Gesetz vorgibt. Lassen sich diese Rahmenbedingungen nicht ändern, müssen die fehlenden Beiträge tatsächlich bezahlt werden. Dennoch sind wir ziemlich sicher, daß unser Volksbegehren erfolgreich sein wird.
Wie steht es denn um die Feiertagskultur in Deutschland?
Nicht gut. Inzwischen wird ja selbst der Sonntag zunehmend angetastet. Manche würden am liebsten wieder eine Sieben-Tage-Woche einführen. Hier ist es Aufgabe der Kirche, darauf zu drängen, daß Sonn- und Feiertage nicht einfach dem wirtschaftlichen Denken geopfert werden.
In katholischen Regionen gibt es weitaus mehr Feiertage als in evangelischen. Da mutet es schon komisch an, daß nun ausgerechnet die evangelische Kirche ein solches Volksbegehren startet.
Diese Logik kann man auch umdrehen. In Süddeutschland gibt es mehr Feiertage als im Norden. Warum muß da ausgerechnet der Bußtag gestrichen werden?
Sie wollen also lieber Mariä Himmelfahrt abschaffen?
Nein, nein! Bewahre!
Wollen Sie mit dem Volksbegehren nicht auch das Image Ihrer Kirche aufpolieren?
Natürlich ist die Kirche stets mitverantwortlich dafür, daß Feiertage im Bewußtsein der Menschen bleiben. Wenn Sie das Image aufpolieren nennen, gut...
Glauben Sie ernsthaft, daß sich noch viele Menschen am Feiertag Gedanken über den Sinn des Tages machen? Ich fahr' doch viel lieber ins Grüne.
Aber darum geht es doch auch! Feiertage sind ja nicht nur kirchlicher Besitzstand. Der Bußtag ist nicht nur dazu da, Leute in die Kirche zu pferchen. Er steht auch für eine sinnvolle soziale Gemeinschaft, da geht es um die Familie, um Vereine, um Freunde. Und die Kirche kämpft dafür, daß wir in einer Gesellschaft leben, in der soziale Beziehungen erleichtert werden. Letztlich geht es doch darum, daß jeder sein Wochenende braucht. Das steht sogar schon in der Bibel: Gott ruhte am siebten Tag, und Du sollst auch ruhen! Interview: Kathrin Lohmann
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