: Sekt oder Computer
Computer helfen bei der Aussprache, Hamburgs Sprachenschulen setzen jedoch weiter auf muttersprachliche LehrerInnen ■ Von Andreas Halle
„Se house, nein, noch einmal: se house“. Herr Sprachschüler bekommt es einfach nicht hin, das „th“. Immer noch kommt bei ihm ein deutsches „s“ aus dem Mund. „The House“, wiederholt der Computer geduldig. So oft, bis Herr Sprachschüler es endlich versteht. So oder so ähnlich könnte die „interaktive Sprachreise“ von Digital Publishing funktionieren: Die Firma wirbt damit, dass ihre Software jedes gesprochene Wort mittels Sprachvergleich auf seine Aussprache hin überprüft.
Etwa 4000 Vokabeln und die Grammatik der Gymnasialstufe 5 bis 10 umfasst der Sprachkurs 1 nach Aussage von Pressesprecherin Heike Eiber. Außerdem soll das Programm auf die individuellen Schwächen des jeweiligen Anwenders eingehen. Bei Fehlern, die BenutzerInnen immer wieder machen, fordert der Computer zu einer Zusatzübung auf.
Wer lieber an einer Sprachenschule als alleine mit sich und dem Computer lernt, stößt jedoch nur in Ausnahmefällen auf die neuen Medien. Von den befragten Unternehmen verwendet lediglich die Hamburger Fremdsprachen- und Wirtschaftsschule den PC als Lernhilfe. Hier können KundInnen beispielsweise 20 Stunden buchen, von denen sie dann 15 mit Mikrofon und Kopfhörer ausgestattet am Computer lernen, und weitere fünf mit einem Coach, der unter anderem Fragen zur Aussprache erläutert.
Auf die Neuen Medien, also das Lernen mit Hilfe von Audiokassetten oder CD-Roms, angesprochen, reagieren fast alle anderen Sprachenschulen verhalten. Die meisten sehen darin lediglich eine zusätzliche Hilfe, die im Unterricht aber selten eine Rolle spielt.
Was alle Schulen gemein haben, ist, dass sie nicht nur Vokabeln und Grammatik vermitteln, sondern auch Sitten und Gebräuche des jeweiligen Landes. Liborio Pepi, Leiter der Scuola Italiana Senzaparole, erzählt, dass es ihm neben dem reinen Erlernen der Sprache auch darauf ankommt, den KursteilnehmerInnen etwas von der kulturellen Identität Italiens zu vermitteln.
Abgesehen davon, dass viele Sprachübungen bereits etwas über das Land und seine Leute sagen, geht man speziell auf die Sitten und Gebräuche im Lande ein. Einige Schulen organisieren deshalb auch Reisen in die entsprechenden Länder; Senza Parole beispielsweise bietet Aufenthalte in Bolsena in der Provinz Viterbo an. „Eine Gegend“, sagt Pepi, „in der die Traditionen noch stärker ausgeprägt sind als in vielen anderen Teilen Italiens.“ Hier wie an den meisten anderen Schulen unterrichten ohnehin muttersprachliche LehrerInnen, die den KursteilnehmerInnen auch etwas über Geschichte oder Geologie ihrer Heimat erzählen können.
Was Pepi über seine Schule sagt, unterstreichen die Geräusche aus dem Nebenzimmer: Ein helles Klirren, Sektgläser stoßen aneinander: „Buon compleanno, Rosemarie!“ rufen die TeilnehmerInnen eines Italienisch-Sprachkurses. Die Kursteilnehmerin Rosemarie hatte Geburtstag, und so gratuliert man ihr nun von allen Seiten. Außerdem ist das Geburtstagskind gerade aus dem Italien-Urlaub zurück gekommen und muss nun, natürlich auf Italienisch, berichten, was es alles erlebt hat.
Italienisch ist wie Englisch, Französisch und Spanisch eine nach wie vor gefragte Sprache, die überwiegend von Privatleuten erlernt wird. Aber auch das Interesse an exotischeren Sprachen wie Chinesisch und Japanisch nimmt, so Monika Tibes, Mitarbeiterin des Colon Language Centers, in letzter Zeit spürbar zu – dafür interessieren sich besonders Geschäftsleute.
Egal ob – bei freier Zeiteinteilung – zu Hause am Computer, oder – regelmäßig – in der Schule: Wer Sprachen lernen will, hat viele Möglichkeiten. Auch was das Finanzielle betrifft: Unter der Voraussetzung, dass man Zugriff auf einen leistungsstarken PC hat, kostet das Lernen am Computer mit Sicherheit weniger als der Besuch einer Sprachenschule. Während die meisten Programme für rund 100 Mark zu haben sind, liegen die Kos-ten für einen 20-stündigen Sprachkurs in einer Gruppe mit vier bis neun TeilnehmerInnen im Durchschnitt bei 300 Mark. Aber: Eine Software mag noch so umfangreich sein, mit dem Computer auf italienisch anstoßen, kann man deshalb noch lange nicht.
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