Seit Samstag funkt Inforadio 101 nicht mehr

■ Der erste private Nachrichtenkanal wurde abgeschaltet / Mehrheitsgesellschafter Radio Schleswig-Holstein und „Tagesspiegel“ stiegen wegen zu hoher Verluste aus

Berlin. Der erste deutsche private Nachrichtensender „Inforadio 101“ ist auf Beschluß der Mehrheitsgesellschafter nach 16monatiger Dauer abgeschaltet worden. Der Sendebetrieb wurde überraschend am Samstag mittag eingestellt.

Begründet wurde dieser Schritt mit den hohen Verlusten von zwanzig Millionen Mark, dem harten Konkurrenzdruck des Berliner Hörfunkmarktes und den nicht befriedigenden Werbeeinnahmen. Seit Wochen hatten die beiden Hauptgesellschafter (je 40 Prozent) Radio Schleswig-Holstein (RSH) und Der Tagesspiegel zu erkennen gegeben, daß sie nicht gewillt sind, ihr Engagement fortzusetzen. Die beiden anderen Teilhaber – Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung – wollten ihre Anteile von je zehn Prozent nicht erhöhen. Schon vor Ostern hatten sich die Gesellschafter des privaten Berliner Nachrichtenfernsehens n-tv gegen eine Beteiligung entschieden. Die Vertreter von CNN, Time Warner und anderen stimmten damit gegen den Vorschlag von Geschäftsführer Karl-Ulrich Kuhlo, der sich für die Übernahme der Mehrheit der Gesellschafteranteile ausgesprochen hatte.

Bis zuletzt stand die Bereitschaft von RTL Radio, sich mit der höchsten medienrechtlich zulässigen Beteiligung von 24,9 Prozent beim Sender zu engagieren. Geschäftsführer Bernt von zur Mühlen hatte hierfür auch einen Gesamtplan entwickelt, dessen Kern darin bestand, „Inforadio“ als Nachrichtenlieferanten für die eigene Kette zu nutzen und darüber hinaus die News noch stärker an andere Privatradios in Deutschland zu vermarkten. „Inforadio“ lieferte bereits Nachrichten an Berliner und ostdeutsche Privatfunkstationen.

In einem offenen Brief an den Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, Hans Hege, bedauerte von zur Mühlen das Ende des Nachrichtensenders. „Wir sind weiterhin davon überzeugt, daß die Idee eines Nachrichten-Radios zukunftsträchtig ist.“ Diese Meinung teile man im übrigen „mit einigen der Inforadio-Gesellschafter“. RTL würde sich auch weiterhin an einem solchen Projekt beteiligen, hieß es abschließend.

Auch der Journalisten-Verband Berlin (JVB) beklagte die Einstellung des Senders. „Man wird die wirtschaftliche Lage bei Inforadio 101 Berlin fairerweise nicht ohne einen Seitenblick auf die wirtschaftliche Situation beim Tagesspiegel bewerten dürfen. Um so mehr verwundert es, daß der mächtige Holtzbrink-Verlag, der soeben den Nachrichtensender zum Schweigen verurteilt, gleichzeitig als Bewerber um eine weitere Frequenz beim Medienrat für Berlin und Brandenburg in Erscheinung tritt.“ Die 60 Mitarbeiter, darunter 30 Festangestellte, sollen über einen Sozialplan abgesichert werden.

Der Medienrat fällte am Samstag zum Abschluß ihrer dreitägigen Beratungen keine Entscheidung über die Vergabe einer der begehrten landesweiten Hörfunkfrequenzen in Brandenburg. Er sprach aber den Anbietern von Radio Flamingo (u. a. Konzertveranstalter Peter Schwenckow) und Klassik-Radio eine Frequenz im Berliner Stadtgebiet zu. dpa