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Seidenstraßen-Gipfel in Peking„Ein Gürtel, eine Straße“

Peking sieht sich als Vorreiter des Freihandels. Mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, haben Kritik an dieser Inszenierung.

Der chinesische Staatschef Xi Jinping auf der Seidenstraßen-Konferenz Foto: reuters

Peking taz | China ruft – und fast die gesamte Welt kommt. Das hätte es vor zehn Jahren sicherlich noch nicht gegeben. Damals boomte das Land wirtschaftlich zwar schon, doch inzwischen ist die Volksrepublik die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Vor allem aber haben die Chinesen eins: jede Menge Geld zu vergeben.

So auch auf dem „Großen Gipfel der neuen Seidenstraße“, zu dem die chinesische Führung am Wochenende nach Peking geladen hatte und der am Montag zu Ende ging. Staats- und Regierungschefs aus 29 Ländern und Vertreter aus mehr als 100 weiteren Ländern waren anwesend. Als deutsche Vertreterin nahm Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) an dem Gipfel teil.

Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat den 63 Staaten entlang des geplanten Handelskorridors insgesamt 840 Milliarden Yuan zugesagt, umgerechnet 111 Milliarden Euro. Das soll erst der Anfang sein. Weitere Investitionsrunden stellte er in Aussicht.

Anknüpfend an die antike Seidenstraße, die das Reich der Mitte einst mit dem Orient bis zum Römischen Reich verband, will Chinas Führung die Handelswege zwischen Asien, Europa und Afrika mit Straßen, Schienen, Häfen, Pipelines und anderen Infrastrukturanlagen ausbauen. Konkret geht es um zwei Handelsrouten: den Landweg über Zentralasien und die Türkei nach Europa sowie den Seeweg über Südasien und das Horn von Afrika in Richtung Mittelmeer. „One Belt, one Road“ – ein Gürtel, eine Straße – wird das Investitionsprogramm in China genannt.

Alle sollen profitieren

Der chinesische Staatspräsident spricht von einem „Jahrhundertprojekt“. Der auf dem Gipfel ebenfalls anwesende tschechische Präsident Miloš Zeman verglich das Programm gar mit dem Marshallplan, mit dem die USA nach dem Zweiten Weltkrieg Westeuropa aufbaute, vom Investitionsvolumen nur „zwölfmal so hoch“.

Alle 29 anwesenden Staats- und Regierungschefs verabschiedeten eine Abschlusserklärung, in der sie sich zum freien Handel und einer offenen Wirtschaft bekannten und dazu aufriefen, „alle Formen des Protektionismus“ zu bekämpfen. Die Seidenstraßen-Initiative werde eine „offene Globalisierung“ fördern, von der alle profitieren sollen, heißt es darin weiter.

Zypries hat allerdings bereits am ersten Gipfeltag am Sonntag Zweifel an Chinas Versprechen geäußert. Deutsche Unternehmen beklagen seit Jahren unfaire Wettbewerbsbedingungen in China. So erhalten große deutsche Unternehmen nur dann Zugang zum chinesischen Markt, wenn sie mit chinesischen Partnern kooperieren. Wissenstransfer ist ebenfalls eine Bedingung, um in China investieren zu dürfen.

Markthemmnisse für die EU

Einige zentrale Branchen, wie etwa der Finanz- oder der Energiesektor, sind für ausländische Unternehmen komplett tabu. Und auch die EU-Kommission hat immer wieder Markthemmnisse nachgewiesen, die umgekehrt für chinesische Investoren in Europa nicht gelten. Zusammen mit anderen EU-Staaten wollte Zypries den Gipfel dazu nutzen, den Chinesen gerechtere Wettbewerbsbedingungen für heimische Unternehmen in China abzuringen.

Doch ohne Erfolg. Die chinesische Führung weigerte sich, eine entsprechende Passage in einer zweiten Erklärung, die explizit zum Handelsdialog aufrief, aufzunehmen. Deutschland und die meisten anderen EU-Staaten unterzeichneten dieses Dokument daraufhin nicht.

Von einem „Eklat“ wollte Zypries aber trotzdem nicht sprechen. „Ich würde das gar nicht hochhängen“, sagte sie. Das Papier habe „einen ähnlichen Status wie eine gemeinsame Presseerklärung, die dann eben nicht zustande kommt“. Für Gastgeber China war das Vorgehen der EU-Staaten dennoch ein Gesichtsverlust. In den Staatszeitungen – ansonsten voll mit Details vom Gipfel – war vom Vorgehen der Europäer nichts zu lesen.

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3 Kommentare

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  • Chinas imperialistische Führungswende in globaler Ökonomie und Politik. Zur Theorie und alten modifizierten Strategie im 21. Jahrhundert. Zur bürgerlichen Ideologie und globalen Strategie der Harmonisierung des Kapitalismus und internationalen Bourgeoissozialismus chinesischer Prägung.

     

    Info.-Empfehlung:

     

    Wie Chinas Seidenstraßen-Initiative den globalen Status Quo in Frage stellt. Quelle: Beijing Rundschau

     

    Vgl.: http://german.beijingreview.com.cn/International/201705/t20170519_800096620.htm

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    »Die Gegenwart in der VR China kann nur aus dem widersprüchlichen Charakter des Reform- und Öffnungskurses der KP Chinas und seinen Auswirkungen seit der Durchsetzung der marktwirtschaftlichen Orientierung durch Deng Xiaoping verstanden und erklärt werden. {...}

     

    Eine Realisierung des staatlichen Kapitals im Rahmen der Gesetze der Marktwirtschaft und der Gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen Globalisierungsprozesses würde den Charakter dieses Kapitals grundlegend verändern, es durchgängig ›kapitalisieren‹. Die sich auf dieser Grundlage entwickelnde Modernisierung der Gesellschaft würde zur allseitigen Ausprägung einer modernen bürgerlichen Gesellschaft chinesischer Prägung führen, die sich allseitig im Grundwiderspruch des Kapitalismus bewegen würde. Das würde die revolutionären Kräfte Chinas vor die Aufgabe stellen, den Kampf für eine sozialistische Gesellschaft neu zu organisieren.« (Helmut Peters)

  • Neue Seidenstraße: Geschichte wird gemacht, es geht voran! - ): Beijing Rundschau am 17.05.2017

     

    Chinas Staatspräsident Xi Jinping am Wochenende in Beijing auf dem Gipfelforum über die internationale Zusammenarbeit im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative:

     

    „Obwohl ihr Ursprung in China liegt, gehört die Seidenstraßen-Initiative DER GANZEN WELT. Ihre Entwicklung geht über die verschiedenen Regionen, Entwicklungsstadien und Zivilisationen hinaus."

     

    Karl Marx und Friedrich Engels:

     

    "Der Sozialismus der Bourgeoisie besteht eben in der Behauptung, dass die Bourgeois Bourgeois sind – im Interesse der arbeitenden Klasse." (Manifest)

  • "China ruft – und fast die gesamte Welt kommt."

     

    Chinas Kapitalismus und Imperialismus: Wirtschafts-"Gürtel" und Rohstoff-"Straße", - im 21. Jahrhundert.

     

    Xi Jinping: Digitale Seidenstraße wird Highlight der Initiative http://german.china.org.cn/txt/2017-05/15/content_40817097.htm

     

    "Gürtel und Straße“-Forum:

     

    Li Keqiang trifft IWF-Chefin Christine Lagarde http://german.china.org.cn/txt/2017-05/15/content_40818049.htm

     

    Bourgeoissozialisten internationaler Prägung: : Ministerpräsident Li Keqiang empfing am Sonntag die IWF-Direktorin Christine Lagarde in der Großen Halle des Volkes in Beijing.