Seh'n oder Nichtseh'n

■ Aktenzeichen III/9 unerlöst: Die Radio Bremen Talkshow aus der Studiogruft

Der Gästehaufen: Benno Hoffmann, Schauspieler. Ein haarloser, polternder Rauhbautz, dem es wenigstens, kraft bäurischen Narzißmus‘, manchmal gelang, das Studioensemble aus dem Tiefschlaf zu reißen. Pia Bierey, Intendantin des Stadttheaters in Moers und einzige Frau in der Bundesrepublik auf einem solchen Posten. Nett, herzig, gefällig. Das Ehepaar Renate und Georg Cordts, das unter dem Pseudonym Georg R. Kristan Krimis verfaßt, die in Bonn beheimatet sind. Sie mögen ja schreiben können, das Reden aber ist ihre Sache nicht. Daher besonders geeignet für TalkShows. Shi Kyung Roh, Koreanerin, die die Olympischen Spiele in Seoul mitmoderiert hat und nebenbei nicht nur fünf Sprachen spricht, sondern auch einer geradezu manischen Reiselust frönt. Hochinteressant, was man so alles können kann. Kisuaheli spricht sie sogar und beweist das, indem sie der Mode-ratörlichen Aufforderung, sich zum Bajas (für Nichtschwaben: zum Affen) zu machen, bereitwillig folgt. Heinz Günter Zavelberg, Präsident des Bundesrechnungshofs, der nach Art des heiteren Beruferatens mit umgekehrten Regeln befragt worden ist: Sagen Sie nie „Ja“ oder „Nein“, sondern erzählen Sie in einschläferndem Ton alles, was die Zuschauer am Weiterdösen nicht hindert. Kai-Uwe von Hassel, ölig-knödelnde CDU-Eminenz und anscheinend weit und breit der einzige, den man zum Thema „Korruptheit der Politiker“ befragen - nein: in Ruhe lassen kann. Er sagt nämlich, Korruptheit gebe es nicht, er selbst kenne keinen einzigen Fall. Und damit war das Thema erledigt.

So. Nun kommen wir zu den ErfüllungsgehilfInnen des gastgebenden Senders, die - jetzt mal egal, warum - droben in Osterholz für ihre Tätigkeit Geld bekommen. Frau Bierey wurde folgendermaßen eingekreist: „Haben Sie als Kind beschlossen, Intendantin zu werden? Ich find‘ so toll: Sie fühlen sich als Frau nicht diskriminiert. Wieso heißt es eigentlich die Intendanz? Das ist doch wirklich interessant. Das ist doch ein männlicher Beruf und heißt trotzdem die Intendanz. Herr Hoffmann, wissen Sie, warum es die Intendanz heißt? Wolfgang, sag doch mal. Warum heißt es die Intendanz?“ Wolfgang: „Ein kollegialer Rat: Man sollte nie was fragen, wenn man die Antwort nicht selber kennt.“

„Shi Kung Roh, oder ich weiß nicht, wie man das ausspricht. Wie spricht man das denn aus? Sie sind in Korea geboren. Was? Kisuaheli sprechen Sie auch? Da sind Sie aber nicht der einzige, der Kisuaheli kann. Herr von Hassel kann das auch. Hab ich recht, Herr von Hassel? Shi Kong, oder ich weiß nicht, wie man das ausspricht, sagen Sie doch mal was auf Kisuaheli.“ “...“ „Herr von Hassel, war das richtig?“ Herr von Hassel: „Ich hab es nicht verstanden.“ „Sagen Sie's noch mal lauter, Shi King, oder ich weiß nicht, wie man das ausspricht, sagen Sie's nochmal. Er hat es nicht verstanden... Also, wenn Sie immer so viel reisen, sangsiemal: Wie soll ein Man Sie überhaupt einfangen? Oder gibt's gar kein‘? Schön, daß Sie da waren, Shi Roh.“

„Also lassen wir das mal mit der Korruption. Da kommen wir offensichtlich grad nicht weiter. Aber wie ist denn das mit der sinnlichen Qualität, die Politik hat, die Macht hat, Herr von Hassel?“ Von Hassel: „Die sinnliche Macht hebt wahrscheinlich ab auf Barschel, der die Macht nicht abgeben wollte. Ja, die Macht machte ihn sinnlich.“ Aha. Mich macht die Macht, die solche Talkshow-Macher biedersinnlich machen läßt, ganz aftersinnlich.

Sybille Simon-Zülch