: Seereise für 27 Azubis
■ Ausbildungs- und Kultur-Projekt des Arbeiter-Bildungs-Zentrums auf „großer Fahrt“ nach Norwegen
„Schot loooos!“ Fünf junge Männer und Frauen ziehen an einem Tau, und eines der grünen Segel der „Alexander von Humboldt“ (bekannt durch seine flaschengrünen Segel) rollt sich herunter: Abfahrt für 27 Auszubildende und 14 Ausbilder vom Bremer Arbeiter-Bildungs-Zentrum und die siebenköpfige Stamm -Crew nach Stavanger in Norwegen. Dort werden sie an einem offiziellen Empfang der Stadt teilnehmen, die Rosenberg -Werft besichtigen, sich von norwegischen KollegInnen über die Berufsausbildung im Metallbereich informieren lassen und schließlich das Schiffahrtsmuseum besuchen, in dem die Original-„Wyvern“ vor Anker liegt. Das Original des Schiffes, das die Jugendlichen gemeinsam nachbauen, wird ihnen auf der letzten Reise-Etappe entgegensegeln.
Die 94 Jahre alte „Wyvern“ ist das Vorbild der „Wyvern II von Bremen“, die in einem bisher einmaligen Ausbildungsprojekt von Jugendlichen auf der Bremen-Norder Vulkanwerft nachgebaut wird. Die Idee des Arbeiter-Bil
dungs-Zentrums: möglichst viele der überbetrieblichen Ausbildungsgänge zu einem Projekt zusammenzuführen und die Ausbildungen um ein motivierendes, kreatives, kulturelles und nicht zuletzt weiterqualifizierendes Moment zu bereichern.
Viele Vorarbeiten für die OrganisatorInnen waren vonnöten, bevor es im letzten Jahr zur Kiellegung kommen konnte. Betriebe, die über Anlagen und Know-How im Schiffbau verfügen, mußten für eine Zusammenarbeit gewonnen und Sponsoren von dem Projekt überzeugt werden.
Denn alles, was nicht direkt zu den Ausbildungsgängen gehört, kann das Arbeiter-Bildungszentrum nicht selbst finanzieren: so die zwölf Tonnen Blei für den Kiel, die die Goslarer Harz Metall spendierte, wo die Bleibarren von Bremer Jugendliche selbst gegossen wurden, oder die Segel, denn das ABC bildet ja keine SegelmacherInnen aus.
Jetzt lernen die Jugendlichen schon einmal das kleine Segel -Einmaleins, denn später sollen sie
auf ihrem Schiff mitsegeln können. Wenn die „Wyvern II“ hoffentlich nächstes Jahr fertig ist, soll es als Ausstellungsschiff und lebendiger Beweis eines Ausbildungsprojekts europäische Häfen anlaufen und auf diese Weise dem europäischen Kulturaustausch dienen.
Aber bis dahin gibt es noch viel zu tun. Das Stahlgerüst des Schiffes liegt noch wie ein riesiges Walfischgerippe, zehn Meter lang und sieben Meter hoch, in einer Halle der Vulkan-Werft, und ihm ist gar nicht anzusehen, wieviel Schweiß dafür schon geflossen ist.
Andreas, 19, angehender Konstruktionsmechaniker, ist einer von denen, die drei Monate daran geschweißt, geflext und Teile für die Außenhaut rundgeschlagen haben. Wenn das Schiff fertig ist, ist auch seine Ausbildung längst abgeschlossen. „Aber zur Taufe werden wir alle eingeladen, und wir werden irgendwann alle einmal mitfahren. Es ist schon toll, dabei mitgemacht zu haben!“
Iris, 19, angehende Industriemechanikerin mit der Fachrich
tung Maschinen- und Systemtechnik, hat bereits an der Ruderanlage mitgearbeitet und an der Erfindung von speziellen Fensteröffnern mitgewirkt. „Immer werden wir gefragt, ob wir nicht Probleme als Mädchen in der typischen Männerausbildung haben, aber man darf sich eben nicht alles gefallen lassen!“
Die vier Mädchen auf der „Alexander von Humboldt“ stehen den Jungen offenkundig in Mut und Tatendrang nicht nach: als die ersten mit zittrigen Beinen mit Bergsteigergurten angekettet auf die schwindelerregend hohen Rahen (Querstangen am Mast) klettern, lassen auch sie sich nicht abschrecken.
Segeln, das ist nicht nur Kommandos befolgen und Seglersprache lernen. Zwölf Tage lang lernen die Jugendlichen vom Arbeiter Bildungs Zentrum nun auch, auf engstem Raum mit vielen auszukommen und, wenn sie zur „Backschaft“ eingeteilt sind, in kleiner Gruppe 60 Teller abzuspülen und Klos zu putzen. Denn nicht für den Lehrer, sondern fürs Leben... Beate Ram
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen