Security-Mann klagt gegen Kündigung: Prügeln gehört zur Ausbildung
Ein ehemaliger Sicherheitsbeamter verklagt die Fluggesellschaft United Airlines. Er sei zu Unrecht wegen eines brutalen Einsatzes gefeuert worden.
Das ist eine bemerkenswerte Klage. Der ehemalige Security-Angestellte James Long verklagt seinen früheren Arbeitgeber, die Flugsicherheitsbehörde von Chicago, sowie die Fluggesellschaft United Airlines auf Schadensersatz sowie Gehalts- und Rentenkassennachzahlungen. Long war im August 2017 entlassen worden. Grund für den Rausschmiss: Er war der Security-Mann, der am 9. April 2017 den 69-jährigen Arzt David Dao auf eine Weise aus einem United-Flugzeug gezerrt hatte, dass Dao mehrere Zähne verlor, eine Gehirnerschütterung und eine blutende Nase davontrug.
Der Vorfall war von anderen Passagieren gefilmt und millionenfach in sozialen Netzwerken angesehen worden. Dao, der sich gemeinsam mit seiner Frau auf der Rückreise von einem Urlaub in Kalifornien zu seinem Heimatort Louisville in Kentucky befand, hatte das Flugzeug verlassen sollen, weil United Airlines die Maschine überbucht hatte und plötzlich noch vier Plätze benötigte, um eigenes Personal zu transportieren. Als sich niemand bereit fand, freiwillig die Maschine zu verlassen, wurde Dao zufällig ausgewählt und aufgefordert zu gehen. Er weigerte sich, woraufhin die Flight Crew die Flughafen-Security zu Hilfe rief.
Long argumentiert jetzt in seiner 32-seitigen Anklageschrift, United Airlines habe wissen müssen, dass das Anfordern von Sicherheitsleuten den Einsatz physischer Gewalt mit sich bringe. Schließlich sei er nach nur fünfmonatigem Training in einer Polizeiakademie für den schonenden Umgang mit solchen Situationen überhaupt nicht ausgebildet. Das wiederum wirft er der Flugsicherheitsbehörde vor.
Deren Chefin, Ginger Evans, beschuldigt Long außerdem, ihn durch öffentliche Äußerungen in Misskredit gebracht zu haben. Sowohl United Airlines als auch die Flugsicherheitsbehörde waren durch die virale Verbreitung des Videos unter solchen Druck geraten, dass sich beide genötigt sahen, das Vorgehen der Sicherheitsleute in drastischen Worten zu verurteilen. Dadurch aber sieht sich nun Long in seinen Rechten verletzt und fordert Wiedergutmachung. Der Börsenwert von United war im Anschluss an den Vorfall um 500 Millionen US-Dollar gesunken.
Verwechslung mit der Flughafenpolizei
Flugsicherheitschefin Evans hatte seinerzeit öffentlich das Vorgehen der Sicherheitsleute als „unverhältnismäßig“ bezeichnet und geäußert, da sehe man wieder, dass „es einen guten Grund gibt, warum wir den Sicherheitsleuten keine Waffen geben“. Die Security-Angestellten seien nicht mit normalen Polizisten zu verwechseln und seien auch keine Flughafenpolizei. So hatten die sich allerdings immer verstanden, und das nicht zu Unrecht: Erst im Nachgang zu der Dao/Long-Auseinandersetzung war den Angestellten eröffnet worden, dass ihre zum Teil jahrelangen Dienste nicht mehr als Berufserfahrung im öffentlichen (Polizei-)Dienst anerkannt würden. Damit sind bislang erhoffte Aufstiegschancen verloren.
Und eben dagegen klagen nun insgesamt 290 Security-Angestellte der Flugsicherheitsbehörde – zusätzlich zu der individuellen Klage von James Long.
Das fünfmonatige Training, das Long für seinen Einsatz erhielt, ist im übrigen das gleiche, was auch Polizeianwärter erhalten. Und an dieser Stelle wird es bizarr: Long sagt, er sei nicht einmal dafür ausgebildet worden, einen wütenden Passagier aus einem Flugzeug zu komplementieren, ohne dass der dabei massiv verletzt werde. Seine Kollegen, die das gleiche Training erhalten haben, werden hingegen bewaffnet auf die Straße und in die Streifenwagen geschickt.
Ist es da wirklich ein Wunder, dass es so unglaublich häufig zu unverhältnismäßiger Polizeigewalt kommt, wie sie insbesondere die „Black Lives Matter“-Bewegung anprangert?
Es wird interessant werden zu verfolgen, wie dieses Verfahren ausgeht. Für die Behörde und die Fluggesellschaft war der ganze Vorfall eine riesenhafte PR-Katastrophe. Aus dem Prozess könnte jetzt noch ein richtiges Lehrstück werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“