Science-Fiction-Film „Passengers“: Peinliche Liebesgeschichte
Jim wacht bei einer 120-Jahre-Weltraumreise zu früh auf und blickt einem einsamen Leben entgegen. Doch der Film endet in Flachwitz.
Zu den fantastischen Elementen der meisten Science-Fiction-Welten gehört es, dass es in ihnen selbst keine Science-Fiction gibt, ganz so, als würde das Nachdenken über die Zukunft in der Zukunft aufhören. Und nicht nur das: Es gibt sie auch nicht als Teil eines wie auch immer gearteten kulturellen Gepäcks. So weiß der Bartender-Androide Arthur (Michael Sheen ohne Unterleib) in Morten Tyldums „Passengers“ zwar, wie man einen Martini mixt, und die beiden Passagiere Jim (Chris Pratt) und Aurora (Jennifer Lawrence) spielen Basketball und essen als brave US-Bürger des 21. Jahrhunderts im Kinosaal Popcorn. Aber von Stanley Kubricks „2001“ scheinen sie nie gehört zu haben.
Dabei wären Filme wie John Carpenters „Dark Star“ oder auch Ridley Scotts „Der Marsianer“ doch genau das Richtige, um einsame Passagiere unterwegs im All zu amüsieren. Von Letzterem ließe sich auch noch Nützliches über den Kartoffelanbau unter Extrembedingungen lernen.
Jim und Aurora sind auf dem Weg zum Planeten „Homestead II“, einer in der Welt des Films von einer gleichnamigen Corporation betriebenen Alternativsiedlung zur Erde. Denn wie ein Einführungsvideo dem gerade aufgewachten Jim erläutert, so schön der blaue Planet für Menschen ist, sei er doch zugleich auch „überteuert und überschätzt“.
Weshalb die Corporation im Raumschiff Avalon, dem einzigen Schauplatz der Handlung, 5.000 auswanderungswillige Passagiere befördert. Da die Reise 120 Jahre dauert, sind die Fahrgäste in „Winterschlaf-Modus“ versetzt. Aber leider hat ein technisches Versagen den arglosen Jim schon nach den ersten 30 Jahren aufgeweckt. Nun sitzt er da und blickt 90 Jahren Einsamkeit ins Auge.
Anfangs hübsche Satire
In der ersten halben Stunde funktioniert „Passengers“ noch als hübsche Satire auf Mensch und Technik. Wenn Jim etwa brav den Arm hebt, um das Reiseleiterinnen-Hologramm etwas zu fragen. Oder wenn er mit dem stumm-verzweifelten Blick eines erfahrenen Bahnkunden die Mitteilung des Messenger-Diensts hinnimmt, dass seine Botschaft erst in 19 Jahren auf der Erde ankomme: „Wir entschuldigen uns für die Verspätung.“ Zur lustigsten Szene gehört seine Interaktion mit dem Frühstücks- und Kaffeeautomaten: Der „Mocca Cappuccino Extrem“ sei reserviert für Gold-Klassen-Passagiere, teilt ihm die Maschine mit; Jim muss sich mit einem einfachen schwarzen Kaffee zufrieden geben.
Zwar sind derlei satirische Spitzen auf den digitalen Kapitalismus im Allgemeinen und die Ungleichheit des Kreuzfahrtbetriebs im Besonderen so zahm gehalten, dass sie keinen Globalisierungsbefürworter überfordern. Leider ist mit ihnen auch schon der Höhepunkt des Amüsements erreicht.
„Passengers“. Regie: Morten Tyldum. Mit Jennifer Lawrence, Michael Sheen u. a. USA 2016, 115 Min.
Danach kommt mit Jennifer Lawrence’Aurora eine weitere Passagierin ins Spiel und eine der peinlichsten Liebesgeschichten aller Zeiten beginnt. Nicht nur, dass Aurora joggt und schwimmt – in einem „infinity pool“ der extraterrestrischen Klasse, versteht sich – ohne je Zweifel an der Sinnfälligkeit eines solchen Trainings in ihrer Situation zu haben, das Drehbuch lässt sie auch schrecklichste Gemeinplätze zum Beruf des Schreibens äußern: „Wir erzählen uns Geschichten, um nicht allein zu sein“.
An dieser Stelle scheint der Film selbst nicht mehr zu wissen, wo Tiefsinn in Flachwitz übergeht, weshalb er dankenswerter Weise fürs letzte Drittel in den Action-Modus schaltet. Dann endlich darf Jim als Ingenieur seine Männlichkeit und Aurora mit hysterischen „Jim! Nein!“-Geschrei ihre Weiblichkeit unter Beweis stellen. Dass sich solche Handlungskrücken schon mit der ersten Staffel „Star Trek“ erledigt haben, scheint in der Science-Fiction-Welt von „Passengers“ leider auch noch niemand mitgekriegt zu haben.
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