■ Press-Schlag: Schwimmverband moralisch bankrott
Eines muß man den Verbandsfunktionären des Sports lassen: Sie kämpfen wie die Löwen um ihre Ämter und ihre schwindende Macht. Ob bei den Leichtathleten, wo extensive Postenhuberei die Reformvorschläge des Präsidenten Digel aushebelte, ob im Eishockey, wo der Verband nicht wahrhaben will, daß ihm die Liga längst entglitten ist, oder am Wochenende bei den Schwimmern, wo die Delegierten keine Hemmungen hatten, die Interessen der Aktiven in dreister Weise niederzubügeln. „Einen Neuanfang mit neuen Leuten“ hatte Aktivensprecher Chris-Carol Bremer vor dem Verbandstag des Deutschen Schwimmverbandes (DSV) in Bochum gefordert. „Völlig zerrüttet“ sei das Verhältnis der Sportler zum Präsidium, erklärte Steffen Zesner, und auch Franziska van Almsick sagte: „So wie es war, kann es nicht weitergehen.“
Kann es doch, konterte der DSV. Der Antrag auf Abwahl des kompletten Präsidiums wurde abgeschmettert, für den zuletzt mit beißendem Spott bedachten Präsidenten Klaus Henter kam Ex-Schatzmeister Rüdiger Tretow. Ein netter Mensch, der sehr gut Gitarre spiele, „aber als Präsident völlig ungeeignet“, befand Andreas Felchle von der Oppositionsgruppe um den reformwilligen Harm Beyer, dessen Kandidatur scheiterte. Als Schlag ins Gesicht empfanden die Aktiven die Bestätigung des Schwimmwarts Werner Lampe. „„Mich stimmt bedenklich“, meinte Bundestrainer Thiesmann, „wenn sich die gesamte Nationalmannschaft gegen den Schwimmwart ausspricht, der aber dennoch im Amt bleibt.“
Es seien nur Posten verschoben worden, rügte Bremer. „Ich bin frustriert und enttäuscht“, sprach van Almsick ihren Kolleginnen und Kollegen aus der Seele. Der hessische Verbandspräsident Rolf Müller sprach gar vom „sportpolitischen Bankrott“. Bis zum nächsten Verbandstag 1998 scheint die Kontinuität des Chaos gesichert, auch wenn die Aktiven trotz ihrer Enttäuschung Kooperationsbereitschaft signalisieren. „Wir werden die Zusammenarbeit nicht verweigern“, sagt Bremer, macht aber gleichzeitig deutlich: „Wir wollen Taten sehen.“ Ein Ständchen mit der Gitarre wird da nicht reichen. Matti
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