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Schwimmschulen des Humors Von Mathias Bröckers

Komik ist eine Frage der Fallhöhe, auf dem Niveau des Gutgelaunten, Witzigen, Albernen entsteht sie nur schwer. Wenn es dagegen ernst wird, wenn es hoch und heilig zur Sache geht, wachsen die Chancen des Komischen. Wenn der Bischof beim würdevollen Einmarsch stolpert und den Kelch zerdeppert, ist das für die Meßdiener schreiend komisch. Hier stimmt die Fallhöhe, wohingegen für Leute, die derlei Würdenträger nicht ernst nehmen, ein solcher Vorfall nichts wirklich Komisches hat.

Die Fallhöhe kann auch erst im nachhinein entstehen. Als ich als Schüler „Die Verwandlung“ und andere Geschichten von Kafka las, kam mir das Ganze nur mäßig komisch vor – irgendwie hatte ich Kafka unter Kauka, dem Autor der „Fix und Foxi“-Comics, abgespeichert und war dann über den Witz seiner Prosa ziemlich enttäuscht. Komisch wurde Kafka dann erst wieder, als ich erfuhr, daß es sich bei ihm um einen Würdenträger der Literatur und bei den absurden Verstrickungen seiner Figuren um hochernste Angelegenheiten handelt. Nur so konnte dann auch der Tagebucheintrag vom 2. August 1914, dem Beginn des Ersten Weltkrieges, eine Komik entfalten – als Tagebucheintrag eines Prager Versicherungsinspektors von nur mäßigem Witz, ist er als Notiz des Kultur-Heroen Franz Kafka ein echter Brüller: „Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt. Nachmittags Schwimmschule.“

Die Katastrophe der Moderne entlädt sich in einer Sturmflut, und ihr schwindsüchtiger Seismograph übt kraulen – schöner, komischer läßt sich die Vergeblichkeit aller Kunst kaum auf den Punkt bringen. „Schwimmschule“ als Metapher fällt selbst einem Genie nicht ein – es sei denn, es geht hin. Was Kafka da unbewußt vorführte, ist vorbildlich, die Fallhöhe, von der Bedeutungsschwere der Weltgeschichte in die Ultrabanalität des Realen, perfekt. Nur so entsteht große Komik – und eben deshalb ist all das, was als „comedy“ derzeit im Fernsehen seuchenartig grassiert, so seicht und platt. Den notorischen Spaßmachern ist der Ernst abhanden gekommen, die Höhe, die der Komik erst Durchschlagskraft verleiht. Wo permament gutgelaunt gewitzelt wird, werden die Verhältnisse zunehmend unkomisch – und große Vorbilder wie der Schwimmschüler Kafka zunehmend wichtig. Zu diesen zählt auch ein anderer großer Schwimmer, der chinesische Revolutionsführer Mao Tse-tung, dessen komisches Talent im Westen weitgehend unentdeckt blieb. Statt dessen diente sein Werk in den Sechzigern als Religionsersatz, was zu dem Spottvers „Ich bin jung, mein Herz ist voll Schwung, soll niemand drin leben als Mao Tse-tung“ führte. Kaum komisch – die Fallhöhe von Jesus zu Mao war damals ziemlich gering. Der Große Vorsitzende selbst allerdings war in Sachen Komik von ganz anderem Kaliber. Einmal wurde er während einer Live-Pressekonferenz gefragt, was sich nach seiner Meinung weltpolitisch geändert hätte, wenn statt des US-Präsidenten Kennedy, der vor kurzem erschossen worden war, der sowjetische Parteichef Chruschtschow ermordet worden wäre. Mao antwortete: „Was sich dadurch alles geändert hätte, kann ich nicht sagen. Aber eines ist meiner Meinung nach sicher: Herr Onassis hätte bestimmt nicht Chruschtschows Witwe geheiratet.“

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