Schwere Unruhen in Kamerun

Mehr als 100 Tote bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Opposition. Proteste richten sich vor allem gegen Präsident Biya. Der will die Verfassung ändern.

Schwere Unruhen in Kamerun. Leidtragende sind, wie so oft, die Kleinen. Bild: dpa

BERLIN taz Nach einer Woche blutiger Gewalt in Kamerun fürchten Menschenrechtler in dem zentralafrikanischen Land die Zerschlagung jeglicher zivilgesellschaftlicher Opposition. Schwere Unruhen und brutale Polizeigewalt haben in der vergangenen Woche unabhängigen Quellen zufolge über 100 Tote gefordert. Die Proteste hatten sich zu Beginn gegen die Erhöhung der Benzinpreise gerichtet, weiteten sich jedoch rasch zu einer allgemeinen Jugendrevolte aus. Sie richtete sich vor allem gegen das Ansinnen des seit 1982 regierenden Präsidenten Paul Biya, die Verfassung zu ändern, damit er bei den nächsten Wahlen 2011 erneut kandidieren kann.

Zentrum der Gewalt war Duala, mit drei Millionen Einwohnern die größte Stadt Kameruns und eine Hochburg der Opposition. Das unabhängige "Menschenrechtshaus" dort sprach am Wochenende von über 100 Toten und mehr als 1.000 Verhaftungen. Ein Augenzeuge wurde zitiert, im Krankenhaus Laquitinie in Duala lägen 60 bis 70 Leichen, teils "stark verstümmelt". Jeden Tag seien Dutzende Tote eingeliefert worden.

Zum Jahreswechsel verkündete Biya, dass er die Verfassung ändern wolle. Seit Mitte Januar herrscht in Duala wie in anderen Städten Westkameruns Demonstrationsverbot. Ungeachtet dessen rief die oppositionelle "Sozialdemokratische Front" (SDF) für den 23. Februar zu Protestmärschen in Duala auf. In letzter Minute zog sie den Aufruf zurück, dennoch lieferten sich Jugendliche Straßenschlachten mit der Polizei. Am 25. Februar trat wegen einer Erhöhung der Benzinpreise Bedienstete des öffentlichen Nahverkehrs in den Streik - erst in Duala, dann landesweit.

Daraus entwickelte sich ein Kampf um die Macht in den Städten. Oppositionelle versuchten teils mit Gewalt, Straßen und Märkte zu schließen, um dem Streik Nachdruck zu verleihen. Gruppen von Jugendlichen errichteten Straßensperren, zündeten Regierungsgebäude an, griffen auch die neue Schicht chinesischer Kleinhändler an, der die Kameruner vor allem mit Hass begegnen. Sicherheitskräfte wiederum gingen gewaltsam gegen die Oppositionellen vor.

Vier Tage lang herrschte in vielen Städten Kameruns regelrecht Bürgerkrieg, aus dem faktischen Generalstreik wurde ein faktischer Ausnahmezustand. Die Taxifahrer haben ihren Streik beendet, aber in Teilen Westkameruns dauert die Gewalt an. Vor allem die Staatsmacht schlägt mit Härte zu. Seit Donnerstag ist die Armee im Einsatz, um Verkehrswege offen zu halten. Zwei private Radiosender, Magic FM 94 und Equinoxe, wurden geschlossen. Seit Donnerstag wurden über 200 festgenommene Jugendliche in Schnellverfahren verurteilt, manche zu Haftstrafen von bis zu 15 Jahren. Adamou Ndom Njoya, Chef der oppositionellen Demokratischen Union Kameruns (UDC), spricht von einer "Kriegserklärung an die Kameruner".

Falls Biya die Proteste auf diese Weise erstickt haben sollte, dürfte es kein Problem für ihn sein, die Verfassung nun so zu ändern, dass er unbegrenzt weiterregieren kann. Das liegt sowohl im Interesse der einstigen Kolonialmacht Frankreich, das Biya zu seinen letzten engen Freunden in Afrika zählt, als auch der kleineren Nachbarstaaten, die von Kamerun wirtschaftlich abhängen. Erst vor einem Monat waren zehntausende Menschen aus dem Nachbarland Tschad in das vermeintlich friedliche Kamerun geflüchtet. Zahlreiche internationale Stimmen haben sich besorgt über die Lage in Kamerun geäußert. Noch aber scheinen alle darauf zu vertrauen, dass Biya die Oberhand behält - egal zu welchem Preis.

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